Thurgauer Zeitung vom Mittwoch 1. September 2004
© Thurgauer Zeitung, Kopie aus Online Archiv 01.01.2010
Nicht zufrieden mit Mundartnamen
Frau Gemeindeammann Heidi Grau sieht in der mundartnahen Schreibweise für Flurnamen einen Rückschritt ins 18. Jahrhundert. Die Namensänderungen erfolgen im Rahmen der Erneuerung der amtlichen Vermessung.
Alexandra Scherrer
Zihlschlacht-Sitterdorf - Laut Kantonsgeometer Ernst Rickenmann stammt die Parzellarvermessung von Zihlschlacht-Sitterdorf aus den Jahren 1923/24. «Der Bund hat den Kantonen 1970 eine Vorschrift gemacht, die Flurnamen neu zu schreiben». Die Hochdeutschen Bezeichnungen sollten der Mundart weichen, damit diese so erhalten bleibe. Bisher sei dies nicht umgesetzt worden, weil die alten Pläne mit Tusche auf Papier geschrieben waren. «Dies zu radieren, hätte riesige Kosten verursacht». Im Einverständnis mit dem Bund werden die Flurnamen erst mit der Erneuerung der amtlichen Vermessung geändert. Im Kanton Thurgau läuft die Digitalisierung der amtlichen Vermessung seit zehn Jahren. Obwohl rund 30 der 80 Gemeinden die mundartnahe Schreibweise der Flurnamen angenommen haben, rechnet der Kantonsgeometer mit der Umsetzung bis zur vorgegebenen Frist im Jahre 2011. Was in mehr als der Hälfte der Gemeinden noch verwirklicht werden muss, hat in den Landkarten ab 1996 bereits Anwendung gefunden. Dort sind die wichtigsten Flurnamen bereits in der mundartnahen Schreibweise zu finden.
Widerstand in den Gemeinden
Auch die Politische Gemeinde Zihlschlacht-Sitterdorf hat nun einen Flurnamenplan zur konsultativen Vernehmlassung vom Kantonalen Amt für Geoinformation erhalten. «Sie haben nun die Möglichkeit, ihre Meinung zu äussern», sagt Ernst Rickenmann. Sei dies, wenn ein Flurname falsch zugeordnet, oder das Gebiet nicht richtig beschriftet wurde. Dass die Namensänderungen nicht von allen Gemeinden widerstandslos angenommen werden, bestätigt der Kantonsgeometer. «Viele möchten bei der hochdeutschen Schreibweise bleiben. Es bringt aber nichts. Wir müssen die Vorschriften des Bundes einhalten», betont Rickenmann.
Auch Frau Gemeindeammann Heidi Grau ist nicht glücklich über die neuen Mundart-Flurnamen. «Wir haben eine klare Regelung der Schreibweise. Die Gefahr ist gross, ins 18. Jahrhundert zurückzufallen». Sehr viele Flurnamen auf Gemeindegebiet seien davon betroffen, «wir wehren uns gegen die vielen doppelten ä, ö und ü.» Des Weiteren bemängelt sie die Vorgehensweise des Kantons. Der Gemeinde sei keine Frist für ihre Stellungnahme gesetzt worden. «Es ist nicht klar, um was es wirklich geht.» Heidi Grau möchte zeitgemäss bleiben. Sie befürchtet, dass durch diese Änderungen ein heilloses Durcheinander entstehen könnte in der Frage, was nun amtlich sei und was nicht.
Zudem sei die Gemeinde daran, zwei neue Gebiete zu erschliessen, die von der Mundartschreibweise nun auch betroffen seien. Mit dem ist Heidi Grau nicht zufrieden. «Wir werden beim Amt für Geoinformation vorstellig werden.»
Änderung nur im Grundbuch
Dass sich mehr als nur auf dem Papier für die Einwohner ändern könnte, bestreitet Kantonsgeometer Ernst Rickenmann. Der von der Gemeinde eingesehene Flurnamenplan werde anschliessend an den ausführenden Geometer weitergegeben, welcher die Namen im Computer erfasst. Was im Grundbuch und in der amtlichen Vermessung geändert werde, habe nichts mit der Namensgebung der Strassen zu tun. «Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, die Strassenbeschriftung den neuen Flurnamen anzupassen». Rickenmann sieht keine Probleme in der Umsetzung. Für ihn wäre es ohne weiteres nicht schlimm, wenn die in Mundart geschriebenen Flurnamen nur im Datensatz für die amtliche Vermessung und dem Plan für das Grundbuch erscheinen würden und nicht in den Strassennamen.