Wenn aus Rotbühl Roopel wird

Von Christof Widmer.

25'000 Flurnamen im Kanton wurden in den letzten Jahren bereinigt. Auf Landkarten stehen neue Schreibweisen, die nicht von allen Gemeinden übernommen werden.

Die Thur bleibt die Thur

Die Mundart-Schreibweise richtet sich nach Bundesvorgaben. Stehen gelassen werden übergeordnete Namen. Die Thur oder der Rhein bleiben in der hochdeutschen Version geschrieben. Davon abgeleitete Flurnamen wurden geändert (Tuurberg satt Thurberg). Unverändert bleiben die Namen der alten Ortsgemeinden. Es sei jeweils Rücksicht auf die ortsübliche Aussprache genommen worden (etwa «Agger» oder «Acker»), sagt Namenforscher Eugen Nyffenegger. Konsequent habe man Längungen mit doppelten Vokalen geschrieben («Roor» statt «Rohr»). (wid)

Frauenfeld – Wer den Weiler Hunzikon bei Wängi sucht, wird ihn bald nicht mehr finden. Auf den neueren Karten wird er als Hunzike angegeben. Noch schwieriger wirds beim Weiler Holzmannshaus bei Eschlikon, der neu als Holpmishus verzeichnet ist. Holzmannshaus in Kemmental wurde dagegen zu Holzmeshus. Im ganzen Kanton werden Flurnamen in eine konsequente Mundart-Schreibweise abgeändert. Atzenwilen wurde zu Azewiile, Hackborn zu Hackbere und das Gmeindwiesli zum Gmaawisli.

25'000 Flurnamen wurden im Kanton bisher bereinigt. Die jahrzehntelange Arbeit dürfte dieses Jahr abgeschlossen werden. Noch stehen fünf Gemeinden aus, sagt Kantonsgeometer Christian Dettwiler. Die Umbenennung wird im Auftrag des Bundes durchgeführt. Er hatte 1970 die Vereinheitlichung der Schreibweise von Orts- und Flurnamen angeordnet. Bisher hochdeutsche Bezeichnungen müssen in den Vermessungskarten und den Grundbüchern von einer standardisierten Mundartschreibweise abgelöst werden.

Nicht überall geschätzt

Wie viele Namen im Thurgau neu geschrieben werden, ist nicht erfasst worden. Die Internetseite Lokalnamen.ch, die die Umbenennung kritisch verfolgt, geht von 60 Prozent aus. Nicht überall wird die neue Schreibweise geschätzt. Die Gemeinde Sirnach hatte 2004 einen Rekurs eingereicht. Gestört habe man sich unter anderem, dass es neu «Bärg» statt «Berg» heisse, sagt Gemeindeamman Kurt Baumann. Das entspreche nicht dem Sprachgefühl der Einheimischen. Der Rekurs ist abgelehnt worden. In Dokumenten der Gemeinde wird die neue Schreibweise aber nicht verwendet. Dazu können die Gemeinden nicht verpflichtet werden.

Der Sirnacher Rekurs war einer von nur zweien, sagt Namenforscher Eugen Nyffenegger. Er bildet zusammen mit dem Kantonsgeometer und einem Vertreter der Gemeinde die sogenannte Nomenklaturkommission. Im Thurgau gebe es einen grossen Konsens über die neue Schreibewise, sagte Nyffenegger. Viele Gemeinden bezeichneten neu erschlossene Quartiere mit den neuen Flurnamen. Kantonsgeometer Dettwiler spricht von jeweils einer Hand voll Einsprachen von Liegenschaftsbesitzern pro Gemeinde. Sie hätten gütlich beigelegt werden können. Die Anfangswelle der Kritik habe sich gelegt.

Veraltete Namen?

Viele Gemeinden hätten die Faust im Sack gemacht, sagt dagegen Heidi Grau, Frau Gemeindeammann von Zihlschlacht-Sitterdorf. Rekurse hätten keine Aussicht auf Erfolg. Auch ihr Gemeinderat hat beschlossen, bei der alten Schreibweise zu bleiben. Sie schätze den Thurgauer Dialekt sehr, sagt Grau. Aber auf modernen geografischen Arbeitsgeräten mit veralteten Namen zu arbeiten, die kaum jemand kenne, sei problematisch: «Niemand, der Leutswil sucht, findet Lütschwil.»

Dass sich die vor Jahrzehnten eingeführten hochdeutschen Bezeichnungen da und dort eingebürgert haben, räumt auch Nyffenegger ein: «Wenn jemand 50 Jahre etwas liest, sagt er es auch.» Aber mit der neuen Schreibweise werde die Mundart geschützt.

Landeskarten angepasst

Zwar können Gemeinden nicht gezwungen werden, die neue Schreibweise zu übernehmen. Direkten Niederschlag findet sie aber in den Landeskarten. Das hat auch Auswirkungen auf die Wanderwegweiser, die den neuen Flurnamen angepasst werden müssen. Schliesslich soll sich niemand wundern, wenn er in Rotbühl steht, das auf der Karte als Roopel eingezeichnet ist. Der Verein Thurgauer Wanderwege verfällt deswegen nicht in Hektik. Die Beschilderung werde nur dort gändert, wo sie sowieso ersetzt werden müsse, sagt Geschäftsführer Stefan Birchler.

Ein letzter Schritt wird die Änderung von Strassentafeln sein. Nyffenegger schätzt, dass an die 40 Tafeln angepasst werden. (ThurgauerZeitung)

Erstellt: 25.05.2009, 06:59 Uhr

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