Thurgauer Zeitung vom 21. Juli 2009

Ich wohne im Rotbühl, nicht im Roopel

Text und Foto Marc Engelhard


Die Änderung der Flur- und Siedlungsnamen stösst im Thurgau einigen sauer auf. Velofahrer, Wanderer und die Bewohner Rotbühls sehen den Sinn hinter der Aktion nicht. 


Ein Militärfahrzeug hält im Rotbühl vor Werner Kellers Bauernhof. Der Fahrer steigt aus, schaut auf die Karte in seinen Händen und klingelt an der Tür des Hofes: «Können Sie mir sagen, wie ich nach Roopel komme», will er von Keller wissen. Werner Keller schüttelt den Kopf, blickt auf die Karte und sieht, dass dort, wo früher Rotbühl stand, nun Roopel steht. Das war vor zwei Jahren. Werner Keller ärgert sich noch immer über den neuen Namen: «Das ist Blödsinn, wir sind im Rotbühl zu Hause», meint der 68-Jährige, der seit 22 Jahren dort lebt. Er kenne niemanden, der Roopel sage, er selbst findet Roopel sogar abschätzig: «Das hört sich hinterwäldlerisch an». Und was ihn am meisten auf die Palme bringt: Man habe diese Änderung vorgenommen, ohne mit den Leuten zu sprechen – quasi über deren Köpfe hinweg.


Wie im Baskenland

Kellers Nachbarin Margrith Böhi hat von der Namensänderung in der Zeitung gelesen. «Wie kann man für so etwas Geld ausgeben», fragt sie sich. Die Familie ihres Mannes hat im Rotbühl seit Generationen einen Bauernhof. Vielleicht hätten vor Hunderten von Jahren die Leute Roopel gesagt, findet Margrith Böhi. Dem sei nun nicht mehr so. Sie holt ein Heftlein, in dem Milchlieferungen vermerkt sind. Der erste Eintrag ist von 1879 – und bezieht sich auf den Bauernhof im «Rotbühl».
     Unterhalb vom Rotbühl, in Au, entfernt Paul Böhi auf einer Weide Unkraut. Auch er weiss aus der Zeitung, dass Rotbühl nun Roopel heisst, und findet das nicht gut. «Solange ich denken kann, sage ich Rotbühl. Und das sind bald 80 Jahre», sagt der 77-Jährige. Heidi und Joaquin Hurtado aus Weinfelden sind mit ihren Velos in Fischingen unterwegs. Beide bekunden Mühe mit den neuen Siedlungs- und Flurnamen. Würden sie sich bei ihren Velotouren auf Karten und Wegweiser stützen, bekämen sie bestimmt Probleme. Denn auf den Wegweisern stehen oft die alten Bezeichnungen. «Mundart in allen Ehren, aber wenn man den richtigen Weg nicht mehr findet, ist das nicht sehr sinnvoll», findet Joaquin Hurtado. Im Herbst wollen die beiden mit dem Velo ins 2300 Kilometer entfernte Santiago fahren. Die Strecke durch das Baskenland haben sie bereits geplant. Auch dort gebe es Gebiete, die teils unter dem baskischen und teils unter dem französischen Namen geführt werden.


Hotel Nollen bald Hotel Nole?

Die Hurtados können sich vorstellen, dass die Änderung der Flurnamen auch andere in Weinfelden störe – zum Beispiel die Inhaber des Restaurants Thurberg. Denn der Thurberg heisst neu Tuurbärg. Dasselbe Problem haben die Besitzer des Hotels Nollen in Hosenruck. Den Berg findet man auf den Karten nun als «Nole». Die Inhaber waren gestern telefonisch nicht erreichbar, wollen aber dem Vernehmen nach den alten Namen behalten.
     Karl Knuser (70 Jahre) aus Wängi liebt es zu wandern. Seine Hauptkritik an den neuen Bezeichnungen: «Die Änderung läuft nicht synchron. Auf den Karten steht ein anderer Name als auf den Wegweisern». Auch Annette Büchi aus Fischingen ist passionierte Wanderin. «Ich finde schon gut, dass die Mundart geschützt wird», sagt die 59-Jährige. «Ein Buch über die alten Namen hätte aber gereicht.»


Erstellt: 21.07.2009, 07:18 Uhr