Thurgauer Zeitung online vom 23. Juli 2009,
00 h
DOSSIER FLURNAMEN
Neue Flurnamen - neue Kritik
Von Marc Haltiner.
Die neuen Mundartnamen für Orte und Wege haben ein politisches
Nachspiel: Der Thurgau übertreibe mit
der Umbenennung, meinen die Parteien. Der Grosse Rat müsse Druck
machen.
Wie stark der Kanton die Flurnamen inzwischen geändert hat, zeigt
allein der Blick auf die Karte. Aus dem Hinterthurgauer Mörikon wurde
Möörike, aus Luchen Lache und aus Rotbühl das inzwischen bekannte
Roopel. Die kritischen Stimmen an den ungewohnten neuen Mundartnamen
häufen sich denn auch. Nach den Rettungsdiensten, die ihre Einsatzorte
teilweise nur mit Mühe finden, macht sich auch bei betroffenen
Anwohnern Unmut breit (TZ vom Dienstag). Und auch auf der politischen
Ebene stossen die Aktivitäten der sogenannten Nomenklaturkommission des
Kantons auf grosse Skepsis.
Weitere Vorstösse in Planung
Einen ersten Vorstoss mit kritischen Fragen hat CVP-Kantonsrat Thomas
Merz-Abt noch vor der Sommerpause deponiert. SVP-Fraktionschef Stephan
Tobler rechnet aber damit, dass nach der Sommerpause noch weitere
Vorstösse eingereicht werden. Seine Kritik fällt deutlich aus. «Ich
finde es total daneben, was hier läuft.» In seiner Zeit als
Gemeindeammann von Roggwil habe sich der Gemeinderat gegen die neuen
Flurnamen gewehrt, sei aber vom Kanton zurückgewiesen worden. Der
Thurgau übertreibe mit den neuen Namen. Andere Kantone seien viel
weniger weit gegangen.
Fast mit dem gleichen Wortlaut wendet sich auch
EVP/EDU-Fraktionschef Matthias Müller gegen die neuen Flurnamen. «Es
ist übertrieben, wie der Kanton in dieser Sache vorgeht.» Für Müller
gibt es einen praktischen Einwand. Die modernen Hilfsmittel wie das GPS
würden im Gegensatz zu Plänen die Mundartbegriffe nie verwenden. Umso
grösser werde die Verwirrung sein. Bei einem Teil der Bevölkerung
seiner Gemeinde höre man heute noch den alten Namen Gochlingen.
«Eingebürgert hat sich aber der Gemeindename Gachnang», sagt
Gemeindeammann Müller.
«Nicht verdaut»
Für die CVP stelle sich vor allem die Frage von Kosten und Nutzen der
neuen Namensgebung, sagt Fraktionschefin Carmen Haag. Bevor die
Vorstösse nicht beantwortet seien, müsse der Kanton die Aktion
stoppen. FDP-Fraktionschef Hans Munz äussert Hochachtung vor dem
Namenbuch von Eugen Nyffenegger. Man müsse sich aber ernsthaft die
Frage stellen, ob alle Namen geändert werden müssten. «Ich habe den
Eindruck, dass der Kanton schneller läuft, als die Musik spielt.» Munz
hält parlamentarischen Druck für wahrscheinlich, der die Umbenennung
stoppen könnte. «Die Sache ist weder gegessen noch verdaut.»
SP schlägt Kompromiss vor
Deutlich wird auch GP-Fraktionschef Klemenz Somm: «Der Kanton versucht
chrampfhaft, das Rad der Geschichte zurückzudrehen.» Es würden
Steuergelder verwendet, um Namen zu ändern, ohne dass ein Bedürfnis
dafür bestehe. Erste Kritik habe er schon vor zwei Jahren gehört, sagt
SP-Präsident Peter Gubser. Ihm komme die Aktion wie die neue
Rechtschreibung vor. Zuerst gebe es einen Langschuss mit vielen neuen
Schreibweisen, dann werde zurückgerudert. Er könne sich einen
Kompromiss vorstellen. Flurnamen könnten geändert werden, wenn der
Mundartausdruck ähnlich sei. Bei grossen Unterschieden müsse aber der
bisherige schriftdeutsche Name verwendet werden.
(Thurgauer Zeitung)
Erstellt: 22.07.2009, 23:59 Uhr |