Thurgauer Zeitung vom 7. August 2009.Flurnamen: "Mundartnahe"
Umbenennungen soll es weiterhin geben.
rsa/sda
Das Leserbriefthema Nummer 1 im Thurgau wird vorläufig bleiben: Die Kantonsregierung
will Orts- und Flurnamen im Rahmen der Vermessung weiterhin «mundartnah»
festsetzen.
In den vergangenen Wochen hagelte es in der Lokalpresse Leserbriefe. Die Autorinnen und
Autoren kritisierten die Praxis, im Rahmen der amtlichen Vermessung Flurnamen neu
«mundartnah» zu schreiben.
CVP-Kantonsrat Thomas Merz-Abt hat das Thema in einer Einfachen Anfrage aufgegriffen.
In ihrer am Freitag veröffentlichten Antwort hält die Regierung fest, dass die Umbenennungen
zwar mittlerweile nicht mehr vom Bund vorgeschrieben seien.
Kein Kurswechsel
Der Thurgau habe die früher geforderte Schreibweise aber bereits so konsequent
umgesetzt, dass nur noch 500 der 10'000 Flurnamen noch nicht rechtkräftig festgesetzt
seien. «Ein Kurswechsel im jetzigen Zeitpunkt wäre nicht zu rechtfertigen», schreibt die
Regierung.
Im Rahmen der amtlichen Vermessung hat sich der Thurgau an eine 1938 vom Bundesrat
erlassene Vorschrift gehalten, wonach Orts- und Flurnamen von geringer, lokaler
Bedeutung «in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache» geschrieben werden sollten. Seit
Juli 2008 gilt diese Vorschrift nicht mehr. Andere Kantone haben die alte Vorschrift mehr
oder weniger ignoriert, so beispielsweise Zürich. Im Thurgau hat das Befolgen der
Vorschrift zu zahlreichen Umbennenungen geführt.
Von Matzenrein zu Maazerooa
Diese wurden jedoch teilweise nur auf den Landeskarten beziehungsweise den
kantonalen und örtlichen Planunterlagen vermerkt. Strassen- und Wegschilder blieben
oft schriftdeutsch angeschrieben.
In letzter Zeit wurden vermehrt solche Schilder
gegen andere mit «mundartnahen» Bezeichnungen ausgetauscht. So wurde aus
dem «Nollen» der «Nolen» [Druckfehler, es soll "Nole"
heissen], aus «Rotbühl» wurde «Roopel», aus «Matzenrein» wurde «Maazerooa».
Einheimische reklamieren, auch Generationen zurück habe niemand diese Flurnamen so
ausgesprochen, wie sie jetzt in den Karten auftauchten. Teilweise seien die angeblich
historischen Mundartbezeichnungen auch schlicht falsch. Selbst in jahrhundertealten Urkunden tauchten
diese Bezeichnungen nicht auf. Der ehemalige Grundbuchverwalter von Ermatingen reklamiert
beispielsweise, aus «Drovettisberg» sei «Truettisbärg» geworden, obwohl der Name
von einem früheren, urkundlich belegten Herrn Drovetti hergeleitet werde.
Brauchtumserhalt kontra GPS
Befürchtet wird auch, Hilfsdienste wie Feuerwehr oder Sanität könnten sich im
Ernstfall verspäten, weil unterschiedliche Schreibweisen auf Karten und Wegweisern
oder Strassenschildern und in GPS-Systemen auftauchten. Die Kantonsregierung dagegen erklärt, es
würden keine unbekannten alten Namen hervorgeholt, sondern solche, an die sich
Alteingessene noch erinnern könnten. Es sei wichtig, die Bereinigung abzuschliessen, bevor
diese Namen gänzlich verloren seien.
(rsa/sda)
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