Thurgauer Zeitung vom 1. September  2009.

Weg aus dem Flurnamenstreit gesucht.

Von Christof Widmer

 Die Kritik an der Mundartschreibweise von Orts- und Flurnamen wird immer deutlicher. Eine Arbeitsgruppe soll der Regierung Vorschläge machen, wie nun vorzugehen ist. Vertreten sind auch Kritiker der Mundartschreibweise.

Frauenfeld – In den Streit um die Schreibweise von Orts- und Flurnamen kommt Bewegung. Nachdem Regierungsrat Kaspar Schläpfer vor zwei Wochen einen Marschhalt angeordnet hatte, hat er gestern die angekündigte Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie soll bis zum Frühjahr Empfehlungen abgeben, wie der Kanton aus der verfahrenen Situation herausfinden kann. Dass über die Jahre Tausende von Orts- und Flurnamen in Grundbüchern und Vermessungsplänen in einer radikalen Mundartschreibweise festgeschrieben wurden und so auch auf den Landkarten auftauchen, stösst in der Bevölkerung auf bares Unverständnis. Das zeigt auch die gestern veröffentlichte TZ-Umfrage.
     Ob etwa Rotbühl offiziell weiterhin Roopel heisst oder der Thurberg als Tuurbärg verzeichnet bleibt, ist nun nicht mehr sicher. Im Fokus der Arbeitsgruppe stünden vor allem umstrittene Siedlungsnamen und solche von Ausflugszielen, sagte Andreas Keller, Generalsekretär des Departements Schläpfer. Er leitet die Arbeitsgruppe.

Gruppe soll unabhängig sein
Weitere Mitglieder sind Kantonsgeometer Christian Dettwiler, Kantonsingenieur Andy Heller sowie als Kritiker der Mundartschreibweise Roland Kuttruff, Präsident des Verbands Thurgauer Gemeinden (VTG), und Kantonsrat Thomas Merz-Abt. Der Kantonsingenieur sei einbezogen worden, um zu klären, welchen Einfluss die Orts- und Flurnamen auf die Strassenbeschilderung haben. Das sei unklar, sagt Keller.
     Interessant ist auch, wer der Arbeitsgruppe nicht angehört: Namenforscher Eugen Nyffenegger. Der Autor des Thurgauer Namenbuchs sitzt mit dem Kantonsgeometer in der Kommission, welche die Orts- und Flurnamen festlegt. Sein Einfluss war von Gemeindevertretern kritisiert worden. Dass Nyffenegger als zentrale Person nicht in der Arbeitsgruppe sei, unterstreiche deren Unabhängigkeit, sagt Keller.

Wie viele Namen überprüfen?
Die Arbeitsgruppe hat den Auftrag, die «tatsächliche und rechtliche Situation» abzuklären und den Handlungsspielraum des Kantons auszuloten. Hier sei einiges unklar, zumal der Bund eine neue Verordnung erlassen habe, sagt Keller. Zudem muss sich die Gruppe einen Überblick verschaffen, wie weit die Neubenennung fortgeschritten ist.
     Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe dürften darauf hinauslaufen, dass zumindest die umstrittenen Siedlungsnamen neu beurteilt werden. Wie viele das sind, da gehen die Meinungen unter den Mitgliedern auseinander. Keller spricht von «einigen Dutzend bis Hundert Namen», Kantonsrat Merz-Abt geht von wesentlich mehr aus. Die betroffene Bevölkerung müsse sich zu Wort melden können und selber sagen, welche Schreibweise sie wolle, fordert er. Ziel der Arbeitsgruppe müsse auch sein, dass die Namen auf Wegweisern, Ortstafeln, Landeskarten und in elektronischen Systemen wieder übereinstimmen.

VTG-Präsident Kuttruff fordert, dass der Kanton seinen Handlungsspielraum zu Gunsten der gewohnten schriftdeutschen Schreibweise ausnutzt. So weit es die gesetzlichen Vorgaben und die Verhältnismässigkeit zuliessen, soll zu den von der Bevölkerung akzeptierten Bezeichnungen zurückgekehrt werden, sagt Kuttruff.
(ThurgauerZeitung)

Neubeurteilung umstrittener Namen wahrscheinlich
Die Arbeitsgruppe will dem Regierungsrat möglichst konkrete Empfehlungen abgeben. Dabei prüft sie nach Angaben ihres Leiters Andreas Keller folgende Optionen: K In den wenigen Gebieten, wo die Orts- und Flurnamen noch nicht amtlich verbindlich festgelegt sind, ist zu entscheiden, ob dies noch in der umstrittenen Mundartschreibweise erfolgen soll. Möglich ist aber auch, dass die noch festzulegenden Namen nach neuen Kriterien bestimmt werden, die der Kritik Rechnung tragen. K Für die grosse Mehrheit der Gemeinden, in denen die Festlegung der Namen abgeschlossen ist, gibt es drei mögliche Empfehlungen der Arbeitsgruppe: an der jetzt rechtskräftigen Mundartschreibweise festhalten, die bisherige Arbeit rückgängig machen und von vorne beginnen oder als Kompromiss nur die besonders umstrittenen Namen neu beurteilen. Andreas Keller will dem Entscheid seiner Arbeitsgruppe nicht vorgreifen, hält die letzte Option aber für die plausibelste. Dass alle Mundartnamen rückgängig gemacht werden, sei dagegen nicht verhältnismässig. (wid)