24. Herbsttagung 2006 der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie


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Schweizerische Gesellschaft für Kartografie 
Société suisse de cartographie 
Swiss Society of Cartography 

www.kartografie.ch
Schreibweise von Lokalnamen

Diesem Thema war die Herbsttagung 2006 der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie gewidmet. Die Tagung wurde durchgeführt am 3. November 2006 in der Aula Berufsbildungszentrum Kanton Schaffhausen, Hintersteig 12, 8201 Schaffhausen.

Programm 


  • Die Weisungen 1948: linguistisch - pragmatische Bemerkungen.
    Referent: Angelo Garovi, Obwaldner Staatsarchivar, Titularprofessor für deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Basel
    Link zum Text des Referates (PDF 23 KB)
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  • Die Weisungen 1948: Gründe zur Beibehaltung aus Sicht der Benutzer.
    Referent: Martin Schlatter, Leiter GIS-Zentrum Kanton Zürich (2006)
    Link zum Text des Referates  (PDF 1'413 KB)
    Siehe auch Artikel des Referenten auf dem geowebforum.
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  • Die Schaffhauser Flurnamen im Dickicht der toponymischen Richtlinien.
    Referent: Alfred Richli, Mitglied der Flurnamenkommission Kanton SH
    Link zum Text des Referates (PDF 30 KB)
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  • Diskussionsleiter Lorenz Hurni, Professor für Kartographie und Vorsteher des Instituts für Kartographie der ETH Zürich
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Stellungnahmen einiger Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmer
zur Frage "Welches ist Ihre persönliche Meinung zur Schreibweise von Lokalnamen (Flurnamen) auf der Landeskarte?"
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Die Auswahl der für diese Stellungnahmen angefragten zwölf Personen  ist nicht repräsentativ.
Die Stellungnahmen erscheinen in alphabetischer Reihenfolge.

 

 

  • Verena Erismann, Thalwil. Stellungnahme vom 16. 11. 2006:
        Die offizielle Amtssprache in der Deutschschweiz ist hochdeutsch. Auf der offiziellen Landeskarte müssen daher Lokalnamen (Flurnamen) vorzugsweise schriftdeutsch und allgemein verständlich geschrieben sein. In der Schule lernen alle Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer die deutsche Schriftsprache, während die Mundart von Kanton zu Kanton verschieden und nicht immer allgemein verständlich ist. Zudem gibt es in der Schweiz immer mehr Fremdsprachige, welche in erster Linie Schriftdeutsch lernen und verstehen. Es ist wünschenswert und wichtig, die Schweizer Mundarten zu bewahren, aber nicht mit der Landeskarte, sondern mit Spezialkarten, Wörterbüchern und Erzählungen.

  • Joseph Thomas Halytskyj, Oberdorf 50, 8222 Beringen, Email: joseph.halytskyj@ktsh.ch, Sekretär der Flurnamenkommission des Kantons Schaffhausen. Stellungnahme vom 22. 11. 2006:
        Grundsatz: Man schreibt unter Einhaltung einschränkender Regeln, wie man spricht. Glaubensfrage oder wie schreibt man's richtig? Richtlinien alt oder neu, wie man's macht ist's falsch!
        Der Schreibende ist jetzt seit gut zehn Jahren mit der Erhebung und Erfassung von Flurnamen beschäftigt und weiss wovon er spricht oder schreibt. Es ist doch erstaunlich, was für ein Echo die Toponymischen Richtlinien des Bundes zur Schreibweise der Lokalnamen ausgelöst haben. Leider ist der positive Ansatz dieser Weisungen völlig verkannt worden und wird nun durch eine unsachgemässe weit übers Ziel hinausschiessende, einseitig Diskussion in Frage gestellt. Man will oder kann den positiven Ansatz der neuen Toponymischen Richtlinien nicht sehen. Wie hoch die Emotionswellen zu diesem Thema gehen, konnte man an der Herbsttagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie (Thema "Die neuen Toponymischen Richtlinien") in Schaffhausen miterleben. Hier durften wir dann einen Vortrag geniessen, mit einer wahren "Bildli" und "Google" Flut, nach dem Motto, wie sag ich's den uneinsichtigen Flurnamenmenschen, dass sie auf dem falschen Weg oder Wäg? sind. Eigentlich schade für die ganze Mühe.
        Sprache ist ein Allgemeingut, das sind auch unsere Flurnamen, darum kann jeder mitreden und soll mitreden, wenn dies auf einer sachlichen Ebene geschieht. Das ist leider im Moment nicht der Fall, ich finde das haben unsere Flurnamen, äxgüsi oder ääxgüsi? Lokalnamen, nicht verdient.

  • Franz Klingenberg, dipl. Ing. ETH, 9200 Gossau. Stellungnahme vom 23. 11. 2006:
        Die Landeskarte als offizielles Kartenwerk hat neben zahlreichen weiteren Kartenprodukten eine Sonderstellung. Ihre Flurnamen sind eine Namensfraktion, welche ausgeprägt im grossmassstäblichen Bereich sichtbar wird. Als lokale Orientierungselemente in der (Offset-)gedruckten Karte im Allgemeingebrauch wichtig, sind die Namen informationstechnisch heute in den digitalen Kartenwerken aber auch als primäre Zugriffsschlüssel zu Datenbeständen verschiedener Kategorien nutzbar. Solche Schlüssel sollten formale und zeitliche Konstanten sein.
         Toponymie - Wissensbereich der geographischen Namen *) - erfordert verschiedene Dokumentations-Instrumente um ihrer Vielschichtigkeit gerecht zu werden, davon sind Ortsnamenbücher ein Bereich, die Geschichte(n) zu Namen ein weiterer. Prof. Eduard Imhof schrieb seinerzeit. Eine kompromissfreie Lösung wäre nur in einer mundartlichen Spezialkarte mit phonetischen Lautzeichen möglich. Und Dr. Hermann Wanner: Ohne Benützung phonetischer Zeichen wird es nie gelingen, der reichen Vielfalt der Mundart gerecht zu werden mit all den Vokalen, Umlauten, verschieden ausgesprochenen Konsonanten und auch der Betonung. So wird auch eine konsequente Mundartschreibung in den Karten in jeder Hinsicht unbefriedigend sein.
        Mit thematischem Output von GIS ist diese angesprochene Spezialkarte eine Lösungsmöglichkeit. Jedoch: Doppellaute in Normalschriftzeichen oder zusätzliche phonetische Lautzeichen sind nicht jedermanns Sache. Ergreifen wir doch aktuelle Hilfen: Originalton, auf den über aktive Lokalnamen in klassischer Schreibweise in digitalen Karten zugegriffen werden kann, ist besser. Der Entscheid für den Offsetdruck bedeutet das Aushandeln eines Kompromisses zwischen gegensätzlichen Aspekten. Dabei gibt es Verluste auf mehreren Seiten. So war es rückblickend abschliessend, was uns etwas anachronistisch anmutet. Denn mit Vorblick sind wir nun in vielfach komfortablerer Lage: der Flurname als primärer Zugriffschlüssel auf viele Wissensgefässe kann mit grossem Vorteil bleiben, was er in bisheriger Schreibweise nach den Weisungen von 1948 war. Die Zugriffstechniken von GIS, Hypertext, Multimedia, Hypermedia an PC und Internet ersparen es uns, gordische Interessenkonflikt-Knoten auflösen zu müssen, befreien uns aus einem Käfig. Der Zugriffschlüssel öffnet die Türen zur Toponymie, u.a. auch zu den stillen Schätzen der Namenbücher. Wie sich dies anfühlt, mögen annähernde Beispiele zeigen. Aktive Namen: Wie in der GIS-Funktion bei [Twixtel-TwixRoute] in der Karte für ein adressiertes Haus beim Darüberfahren mit dem Cursor dessen Bewohner und ihre Tel.Nr. aufscheinen, liessen sich die Multimediaprodukte wie Swiss Map 25 ausbauen mit weiteren präzisierenden Angaben zu anderen Namenschreibweisen und mit Phonogrammen, was z.B. Notfallzentralen dienen würde. 
        Einen Eindruck des Ton-Zugriffes vermittelt [Encarta-Enzyklopädie von Microsoft]: der Ortsname Bergenin Norwegen wird angeklickt > via Artikel über Bergen > Edvard Grieg > lassen sich Phonogramme aktivieren. Den Originalton des gesprochenen Wortes hören Sie in Encarta bei Winston Churchillund Gerhart Hauptmann
    Es ist zu vermuten, dass mit diesen Aussichten die Arbeit in Nomenklaturgremien nochmals herausfordernder wird und die digitale Landeskarte noch mehr Zuspruch gewinnt.
        *) KN Kartographischen Nachrichten August 2006 EuroGeoNames (EGN) - Aufbau einer geographischen Namendateninfrastruktur 

  • Kaspar Kundert, Geschäftsführer ESRI Geoinformatik AG, Zürich. Stellungnahme vom 20. 11. 2006:
        Die engagierten Vorträge an der SGK Herbsttagung zeigten die Dimension eines Themas, das auf den ersten Blick von vielen, die nicht direkt an der Diskussion beteiligt sind, eher belächelt wird. Persönlich gefällt mir ich die heutige Schreibweise auf den Landeskarten gut und ich bin der Meinung, wir sollten an den heutigen Regeln möglichst wenig ändern. So sympathisch die vermehrte Verwendung von Dialekt klingen und aussehen mag, der Lesbarkeit und Nutzbarkeit der Karten ist dies aber sicherlich nicht zuträglich. Mir ist es ein Anliegen Lokalnamen und Flurnamen zu finden, sei dies auf einer Karte, mit Google oder in einer Datenbank. Sekundär für mich ist in diesem Zusammenhang, woher die Lokalnamen stammen. Dieser Aspekt ist besser in separaten Publikationen festzuhalten.

  • Martin Probst, dipl. Vermessungs-Ing. FH, Tele Atlas, Director Regional Sales D/A/CH, 5432      Neuenhof. Stellungnahme vom 21. 11. 2006.
    An der Herbsttagung der SGK vom 3. November 2006 wurde mir das Spektrum der möglichen Meinungen zu diesem Thema so richtig vor Augen geführt. Ich kann mich allerdings nicht auf die Seite der Historiker und Namenkundler schlagen, welche die Landeskarte als Archiv für die lokal gültige Schreib- oder Sprechweise der Lokalnamen sehen. Ich bin der Meinung, dass die Karte primär ein Lokalisierungs- und Navigationsinstrument ist, und daher leicht lesbar und für ein breites, internationales Publikum einsetzbar sein muss. Ein Überladen der Karten mit mundartisiertenLokalnamen würde diesen Zweck nicht unterstützen. Die neue Schulkarte des Kantons Schaffhausen ist in diesem Sinne ein abschreckendes Beispiel. Aus diesen Gründen finde ich die heute geltenden Regelungen unterstützens- und beibehaltenswert.

  • Thomas Schulz, Dipl. Ing., Neuchâtel, Leiter Thematische Kartographie am Bundesamt für Statistik. Stellungnahme vom 21.11.2006:
        Die Weisungen von 1948 scheinen mir ein guter und begründeter Kompromiss zu sein, für den ich keinen Änderungsbedarf sehe. Die Landeskarten sind allgemein verständlich und bewährt. Ihre Einträge wurden bisher millionenfach von offizieller und privater Seite referenziert - allein die Folgekosten und die anschliessende Sprachverwirrung sollten eine Änderung ausschliessen. Topographische Karten dienen der Orientierung, und diese brauchen vor allem Ortsfremde. Deshalb sollten sie aus meiner Sicht so standardisiert wie möglich sein, um von vielen Benützern verstanden zu werden. Eine standardisierte, offizielle Amtssprache der Schweiz ist Deutsch. Wir würden auch kaum auf die Idee kommen, eine Weltkarte in einem Schulatlas in Lokalsprachen zu beschriften, wenn er im Geographieunterricht allgemein Verwendung finden soll. Schliesslich werden Namen in vielen Ländern, auch in Deutschland, völlig anders ausgesprochen als sie geschrieben sind, und ich kann kein Problem darin erkennen. Gleichwohl ist es ein wichtiges Anliegen, Mundarten zu bewahren und die Wurzeln von lokalen Namen zu wissen. Dies gehört für mich aber in thematische Karten (oder Layer), die man zusätzlich zu den offiziellen Karten führen kann. Bei einer allfälligen Änderungsdiskussion möchte ich anregen, in jedem Fall auch die französischen und italienischen Landesteile mit einzubeziehen, um deren Meinung und Vorschläge zu hören.

  • Prof. Dr. h.c. Peter Ziegler, Historiker, Wädenswil, Stellungnahme vom 20. 11. 2006:
        Die Referate Gurtner, Garovi und Schlatter haben mich in meiner Ansicht bestärkt, dass ein Festhalten an den Weisungen 1948 sinnvoll ist. Wohin Abweichungen führen könnten, offenbarten mir das Referat Richli und ein Blick auf die neue Schulkarte des Kantons Schaffhausen. Landkarten werden nicht in erster Linie von Einheimischen gelesen, sondern meist von Fremden ohne Kenntnisse der lokalen Mundart. Die Schreibung gemäss Weisung 1948 hat sich nach meinen Erfahrungen als Kompromiss bewährt. Verantwortliche, haltet daran fest!


Quellennachweis für die Fotografien: Webseite der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie, Bildergalerie Herbsttagung 2006 in Schaffhausen

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