45. Parlamentarische Opposition im Kanton Thurgau

Vorgeschichte
Seit etwa 1990 wurden auf der Landeskarte und in der amtlichen Vermessung des Kantons Thurgau die Lokalnamen auf eine extremmundartliche Schreibweise verändert. Dabei wurde die Schreibweise des Thurgauer Namenbuches offenbar unbesehen auch für die Schreibweise auf Karten übernommen, dies in Missachtung der bundesrechtlichen Vorschriften. Diese Änderungen in der Schreibweise wurden vorgenommen durch die Kantonale Nomenklaturkommission und - unverständlicherweise - gefördert durch das Bundesamt für Landestopografie und toleriert durch die Eidgenössische Vermessungsdirektion.
     Die Opposition aus der Bevölkerung und von Parlamentariern (KR Bruno Rieser, KR Werner Dickenmann wurde jeweils ziemlich rasch und "unbürokratisch" im Keim erstickt. Und zwar immer mit der gleichen Argumentation: Der Bund verlangt es so. Und wer kämpft in einer solchen Sache schon gegen den Bund? Zum andern hatte es keine unmittelbaren Auswirkungen. Register und Adressen wurden einfach nicht nachgeführt, die "Nichtnachführung" hatte ja im Stress des geschäftlichen Alltags auch keine sofort erkennbare Konsequenzen.
     Am 25. Mai 2009 erschien in der Thurgauer Zeitung ein kritischer Artikel von Christof Widmer: "Wenn aus Rotbühl Roopel wird". Damit begann im Kanton Thurgau ein breiter Widerstand der Bevölkerung. Folgende Schlagzeilen geben davon einen Eindruck: " Kostspieliger, administrativer Leerlauf"; " Bewährtes nicht in Frage stellen"; " Roopel, Äppeste, Holpmishus: Wer zieht die Notbremse?"; " Flurnamen sorgen für Verwirrung" (Fernsehen); " Wirrwarr um den Thurberg"; " Wenn die Karte Velofahrer verwirrt"; "Fürs Lexikon, nicht für die Karten".



Einfache Anfrage Merz  und Antwort der Regierung

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Prof. Dr. Thomas Merz, Weinfelden.
Bildquelle: Webseite der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH).

Frage
15. Juni 2009. Einfache Anfrage "Bereinigung von Orts- und Flurnamen" von Prof. Dr. Thomas Merz-Abt, Mitglied des Grossen Rates, an den Regierungsrat des Kantons Thurgau.
PDF, 184 KB

Antwort
3. August 2009. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau an den Grossen Rat.
PDF, 94 KB

Kommentar
Kommentar des Redaktors dieser Webseite vom 10. August 2009. Dieser Kommentar befasst sich unter anderem ausführlich mit den Details der Regierungsrätlichen Antwort.
Wichtiger als die Vergangenheit und allfällige Schuldzuweisungen ist jedoch die Zukunft: Wie kommt der Kanton Thurgau möglichst bald aus dem Wirrwarr von Schreibweisen heraus?
Kommentar vom 10. 8. 2009 PDF, 44 KB
Ergänzung vom 11. 8. 2009 PDF, 20 KB

Wortlaut der Einfachen Anfrage Merz
Einfache Anfrage Bereinigung von Orts- und Flurnamen".
Ein Artikel der Thurgauer Zeitung vom 25. Mai 2009 machte auf die umfassende Veränderung von Thurgauer Flurnamen aufmerksam. Tausende von Orts- und Flurnamen wurden in den letzten Jahren geändert. Nun folgt offenbar auch eine Anpassung auf Wegweisern und Ortstafeln. Dabei werden in Dokumenten, auf Tafeln und Wegweisern gebräuchliche Bezeichnungen in Schriftsprache durch mündliche Bezeichnungen ersetzt (z.B. Roopel für Rotbüel, Nole für Nollen, Blaaki für Bleiche, Ottebärg für Ottenberg usw.).

Zahlreiche Reaktionen in der Öffentlichkeit zeigen, dass der Sinn dieser umfassenden Veränderung von vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht gesehen wird. Sie stösst aus verschiedenen Gründen in breiten Kreisen auf Unverständnis.

In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

Frage 1
Bestehen tatsächlich verbindliche Vorgaben des Bundes, die eine solche umfassende Neubenennung bis hin zur Anpassung von Wegweisern und Ortstafeln erfordern?

Antwort auf Frage 1
Wie Orts- und Flurnamen geschrieben werden sollen, ist seit langem umstritten. Um 1900 wurden Befürchtungen laut, dass die schweizerdeutsche Mundart vom Aussterben bedroht sei. In den Jahren 1937/1938 setzte sich eine Gruppe um den Verleger Dr. Adolf Guggenbühl und den Sprachwissenschafter Prof. Dr. Eugen Dieth dafür ein, dass das Schweizerdeutsch als Schriftsprache eingeführt wird. Damit wollte man sich auch sprachlich vom Nationalsozialismus in Deutschland abgrenzen.

Vor diesem Hintergrund beschloss der Bundesrat am 22. Februar 1938, dass die Lokalnamen auf der geplanten Landeskarte der Schweiz mundartnah geschrieben werden. Diese Aussage ist falsch. In den Weisungen 1948 steht im Grundsatz 4: Die Kantone regeln im Rahmen der vorliegenden Grundsätze die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von sprachlichen Sonderentwicklungen, die ihr Gebiet betreffen (Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938, Artikel 4 und 5). Schwer lesbare Formen sind nach Grundsatz 1 zu vermeiden.

Und der Grundsatz 1, auf den im Zitat verwiesen wird, lautet: Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und übereinstimmende Bezeichnung der Örtlichkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von den Einheimischen ohne weiteres verstanden werden. Damit wird die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte am ehesten gewährleistet. Und gerade dieser Grundsatz 1 in den Grundsätzen der Weisungen 1948 wurde vom Kanton Thurgau in den letzten Jahren laufend missachtet!

Der 2. Weltkrieg verzögerte die Publikation der Landeskarte. Gestützt auf Art. 4 des erwähnten Bundesratsbeschlusses vom 22. Februar 1938 über die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen erliess das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz. Diese Weisungen sahen vor, dass die Schreibweise der Namen von geringer, lokaler Bedeutung in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache zu erfolgen hat. Davon ausgenommen waren unter anderem Namen der Politischen Gemeinden und Namen, denen infolge ihrer geographischen, historischen oder literarischen Bedeutung ein allgemeines Interesse zukommt sowie solche, an welchen mehrere Kantone beteiligt sind, wie dies beispielsweise bei Bergketten, Flüssen und Seen der Fall sein kann. Diese Namen sollten nach Möglichkeit in der herkömmlichen, allgemein üblichen Schreibweise belassen werden. Der Regierungsrat zitiert nur eine von mehreren Ausnahmen der Mundartschreibung nämlich die Namen politischen Gemeinden und Namen, denen infolge ihrer geographischen, historischen oder literarischen Bedeutung ein allgemeines Interesse zukommt (Art. 5 der Weisungen 1948). Genau nach diesem Zitat hätte man zum Beispiel die Schreibweisen Nollen, Thurberg und Sonnenberg nicht in Nole, Tuurbärg und Sunebärg ändern dürfen.

Der Regierungsrat unterlässt es jedoch, als weitere Ausnahmen der Mundartschreibung den Artikel 4 der Weisungen 1948 ebenfalls zu zitieren. Dieser enthält folgende Bestimmung:

Für die Schreibung [von] Namen, die auch in der Bundesverwaltung im Gebrauch stehen (bewohnte Orte, Stationen der Eisenbahnen und anderer Transportanstalten, Poststellen, Telephon- und Telegraphenstationen) ist das Ortsverzeichnis des amtlichen Kursbuches (Post- und Eisenbahnausgabe) massgebend. Auch diese Bestimmung wurde in den letzten Jahren laufend missachtet.

Sie betrifft vor allem die Namen von bewohnten Orten (Orts- und Siedlungsnamen). So wurden z.B. folgende Stationsnamen entgegen obigen Bestimmungen geändert (in Klammern neue Schreibweise): Hörmoos (Höörmos), Huben (Huebe), Närgeten (Nägerte), Niederhof (Niderhof), Rüdenwil (Ruedewiil), Stehrenberg (Steerebärg), Wartenwil (Wartewiil) usw.

Der Regierungsrat verschweigt auch, dass nach dem Grundsatz "in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache noch der wichtige Zusatz massgebend ist: "nach den in Anhang (..) enthaltenen Grundsätzen". Diese Grundsätze sehen z.B. vor, dass in der Regel "Berg" und nicht "Bärg" geschrieben werden (im Kanton Thurgau nicht befolgt) und heben sich auch stark von Dialektschreibweise von Dieht ab. Bereits 1938 hat Dieth Schreibregeln für Dialektschrift veröffentlicht. Sogar als Dialekttexte sind diese Regeln bei Dialektologen nicht unumstritten. Bereits 1948 hatten namhafte Sprachwissenschafter diese Schreibweisen für Orts- und Flurnamen als ungeeignet bezeichnet. Trotzdem sind im Kanton Thurgau die Schreibweisen stark nach Dieth anstelle nach den vorgeschriebenen Grundsätzen der Weisungen 1948 ausgerichtet worden.

Die genannten bundesrechtlichen Vorgaben wurden in den Kantonen unterschiedlich umgesetzt. Während im Kanton Zürich die mundartnahe Schreibweise eher zurückhaltend eingesetzt wurde, erfolgte die Festsetzung und Schreibweise der Lokalnamen bei der amtlichen Vermessung im Kanton Thurgau und in vielen anderen Kantonen, insbesondere auch in den französisch und italienisch sprechenden Landesteilen, nach den eigens dafür entwickelten Regeln möglichst mundartgetreu und bundesrechtskonform.

Diese Aussage ist nicht zutreffend. Nur die Kantone Thurgau und Schaffhausen wählten seit etwa 10 Jahren in Missachtung der Weisungen 1948 eine extremmundartliche Schreibweise. Diese Schreibweise wurde damals leider unterstützt sowohl vom Bundesamt für Landestopographie (Herausgeberin der Landeskarte) als auch von der Eidg. Vermessungsdirektion (Oberaufsicht über die Amtliche Vermessung).

Am 1. Juli 2008 wurde die Verordnung vom 30. Dezember 1970 über Orts-, Gemeinde -und Stationsnamen durch die Verordnung über die geografischen Namen, ( GeoNV; SR 510.625) abgelöst. In Art. 4 Abs. 2 GeoNV wird als Grundsatz neu festgelegt, dass die geografischen Namen, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert werden.
      Damit wird in Bezug auf die Schreibweise von geografischen Namen das Gegenteil dessen proklamiert, was bisher bundesrechtlich vorgegeben war.

Im Art. 4 Abs. 2 GeoNV wird keinesfalls das Gegenteil proklamiert, was bisher bundesrechtlich vorgegeben war. Art. 4 Abs.2 GeoNV entspricht nämlich grundsätzlich den Weisungen 1948, welche die Thurgauer Nomenklaturkommission, das Bundesamt für Landestopographie und die Eidg. Vermessungsdirektion seit etwa 10 Jahren dauernd verletzt haben.

Gleichzeitig wird in Art. 4 Abs. 3 GeoNV aber festgehalten, dass geografische Namen und ihre Schreibweise nur aus öffentlichem Interesse geändert werden dürfen. Dies gilt namentlich auch für die bereits festgelegten Orts- und Flurnamen. Das Bundesamt für Landestopografie hat die gemäss Art. 6 GeoNV zu erlassenden Regeln und Empfehlungen zur Schreibweise von geografischen Namen noch nicht publiziert, so dass noch unklar ist, wie Art. 4 GeoNV angewendet werden soll.

Falls die neuen Schreibweisen nicht auf allgemeine Akzeptanz stossen (Art. 4, Abs. 1 GeoNV) und die kostspieligen Änderungen in der Praxis noch nicht umgesetzt sind, könnte durchaus ein öffentliches Interesse für eine Rückmutation geltend gemacht werden können (Art. 4 Abs. 3 GeoNV). Je rascher eine Rückmutation ausgeführt wird, umso weniger Probleme wird diese bieten. Es lohnt sich also nicht, die Vollzugsregelungen gemäss Art. 6 abzuwarten.

Für die Schreibweise von Namen auf Ortstafeln und Wegweisern gibt es aus vermessungsrechtlicher Sicht keine bundesrechtlichen Vorgaben.

Für die Ortstafeln auf Gemeindestrassen und -wegen sind die Gemeinden zuständig.
     Der Kanton verwendet für die Namen auf Ortstafeln entlang der Staatsstrassen die Schriftsprache.
      Einzelne Anpassungen von Ortstafeln durch die Gemeinden im Rahmen des üblichen Unterhaltes drängen sich auf, weil einzelne Weiler auf den Ortstafeln nicht einheitlich angeschrieben sind.
      Das Benennen der Strassen und Wege ist gestützt auf § 51 des Gesetzes über Strassen und Wege (StrWG; RB 725.1) Sache der Gemeindebehörde. Bei der Kennzeichnung von Fuss- und Wanderwegen sind gestützt auf § 50 Abs. 1 StrWG private Fachorganisationen beizuziehen.
Dass der Kanton für die Namen auf Ortstafeln entlang der Staatsstrasse die Schriftsprache verwendet, entspricht ja gerade Art. 4 Abs. 2 GeoNV. Es dürfte nun aber eine selbstverständliche Forderung der Öffentlichkeit sein, dass Kanton, Gemeinden und Fachorganisationen in gegenseitiger Absprache eine einheitliche Schreibweise durchsetzen für Ortstafeln sowie für Wegweiser an Staatsstrassen, Gemeindestrassen und Wanderwegen.


Frage 2
Kann die Regierung die Kosten beziffern, die diese Namensänderung im Thurgau ausgelöst hat bzw. bei einer Weiterführung noch auslösen wird?

Antwort auf die Frage 2
Die Orts- und Flurnamen sind Bestandteil der amtlichen Vermessung und gemäss Bundesvorschrift zusammen mit anderen Daten der amtlichen Vermessung festzusetzen. Die Kosten der Erhebung entstehen also unabhängig davon, ob letztlich Mundart oder Schriftsprache verwendet wird. Es sind daher keine Zusatzkosten entstanden. Die Kosten der amtlichen Vermessung werden nach dem jeweils geltenden Kostenschlüssel vom Bund, dem Kanton und den Gemeinden getragen.
Wenn die Frage lautete, wie hoch die Kosten sind, welche die Namensänderung ausgelöst hat (im Sinn von Folgekosten) und nicht die Kosten der Änderung selber, so ist die Frage nicht beantwortet. Es dürfen nicht nur die Kosten der Bereinigung betrachtet werden, sondern die Folgekosten und Anpassungen welche sehr beträchtlich sind, wenn die Schreibweise der Namen geändert wird.

Frage 3
Wo liegt aus Sicht der Regierung der effektive Nutzen, wenn gebräuchliche und bestens vertraute Namen durch alte, oft unbekannte Mundartbezeichnungen ersetzt werden?


Antwort auf Frage 3
Orts- und Flurnamen geben Einblick in Kultur, Geschichte, Geologie, Hydrologie, Arbeitsmethoden, besondere Ereignisse und anderes mehr. Durch die Tatsache, dass immer weniger Menschen im Primärsektor arbeiten, sind viele Namen und deren Herkunft heute nahezu in Vergessenheit geraten. Es werden im Rahmen der amtlichen Vermessung nicht unbekannte alte Namen hervorgeholt, sondern solche verwendet, die heute in der alteingesessenen Bevölkerung noch bekannt sind und verwendet werden. Diese Namenskenntnis hat in den vergangenen Jahren allerdings deutlich abgenommen. Es ist deshalb wichtig, die weit fortgeschrittene Bereinigung abzuschliessen, bevor diese Namenskenntnis gänzlich verloren geht.

Die von der Regierung beschriebenen Ziele sind unbestritten. Das Thurgauer Namenbuch deckt diese bestens ab.
      Übergeordnet sind jedoch die Ziele gemäss Geoinformationsgesetz vom 5. Oktober 2007 (510.62). Diese lauten gemäss Artikel 1:

"Dieses Gesetz bezweckt, dass Geodaten über das Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft den Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Wissenschaft für eine breite Nutzung, nachhaltig, aktuell, rasch, einfach, in der erforderlichen Qualität und zu angemessenen Kosten zur Verfügung stehen."

Lokalnamen auf Karten sind Geodaten und somit diesem Gesetz und der GeoNV (510.625) unterstellt.

Frage 4
Könnte sich der Kanton Thurgau beispielsweise mit Bezug auf Artikel 4 in der vom Bundesrat am 21. 5. 2008 verabschiedeten Verordnung über die geografischen Namen ( GeoNV) auch einer weiteren Veränderung der Namen widersetzen?

Antwort auf Frage 4
Wie bereits angesprochen wurde, lässt es der Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 GeoNV zu, dass die noch nicht erhobenen Ortsnamen nicht mundartnah festgesetzt werden.

Art. 4 Abs. 2 GeoNV lässt dies nicht nur zu, sondern verlangt dies.

Allerdings sind in über 90 Prozent des Kantonsgebietes die Ortsnamen bereits nach den bisherigen bundesrechtlichen Vorgaben festgesetzt worden. Lediglich in wenigen Gemeinden ist die Erhebung der Ortsnamen und ihrer Schreibweise noch nicht abgeschlossen worden.



10'000 Orts- und Flurnamen sind im Rahmen der amtlichen Vermessung bereits rechtskräftig festgesetzt worden, lediglich 500 Namen sind noch zu behandeln. Ein Kurswechsel im jetzigen Zeitpunkt wäre nicht zu rechtfertigen und würde den Wert und den Nutzen der geleisteten Arbeit in Frage stellen oder zumindest stark herabsetzen.

Langfristig gesehen würde sich im Sinne der allgemeinen Akzeptanz (Art. 4 Abs. 1 GeoNV) und des öffentlichen Interesses (Art. 4. Ab3. GeoNV) eine Rückmutation der Schreibweisen in der amtlichen Vermessung bei mindestens folgenden grob geschätzt 3'000 Namen aufdrängen:

- Alle Orts-, Siedlungs- und Flurnamen entsprechend amtlichen Stationsnamen
- Alle übrigen Orts- und Siedlungsnamen in Absprache mit den Gemeinden entsprechend Ortstafeln, Strassenwegweisern und Strassenbezeichnungen (restliche Namen auf Stand 1984)
- Alle in den Landeskarten verwendeten Flurnamen auf Stand 1984.

Es besteht eine Diskrepanz zwischen den 25'000 bereinigten Flurnamen und den 10'000 hier genannten Flurnamen.

Allerdings soll bezüglich Orts- und Siedlungsnamen der breit geäusserten Kritik vermehrt Rechnung getragen werden. Dieses zögerliche Entgegenkommen entspricht keineswegs der Tragweite des heutigen Wirrwarrs von Schreibweisen im Kanton Thurgau.

Frage 5
Stehen betroffenen Grundbesitzern, die bestens eingeführte Bezeichnungen beibehalten möchten, auch Rekursmöglichkeiten offen?

Antwort auf Frage 5
Ja, die betroffenen Grundeigentümer können gestützt auf die §§ 15 und 18 der Verordnung des Regierungsrates über die amtliche Vermessung (RRV AV; RB 211.441) Entscheide der kantonalen Nomenklaturkommission beim Gemeinderat mit Rekurs anfechten. Über Rekurse der Gemeinde entscheidet das Departement für Inneres und Volkswirtschaft (DIV). Entscheide des DIV können an das Verwaltungsgericht weiter gezogen werden.

Solange die Nomenklaturkommission in der heutigen Besetzung bestehen bleibt, würden vermutlich alle Anfechtungen der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer kostspielige und langwierige Entscheide des Departements und des Verwaltungsgerichtes verursachen. Die ausserordentliche Situation im Kanton Thurgau verlangt effizientere und bevölkerungsfreundlichere Massnahmen:
1. Neuordnung der Nomenklaturkommission.
2. Von Amtes wegen rasche Rückmutation wie oben spezifiziert.


  
13. August 2009. Einsetzung einer Arbeitsgruppe.

Auf der Webseitedes Kantons Thurgau  steht am 13. August 2009 folgende Information:

Marschhalt bei Orts- und Flurnamen – Einsetzung einer Arbeitsgruppe. Aufgrund der massiven Kritik und des verbreiteten Unbehagens bezüglich der Festsetzung der Orts- und Flurnamen in der Mundart hat der Departementschef, Regierungsrat Kaspar Schläpfer, entschieden, einen Marschhalt anzuordnen und eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Die Arbeitsgruppe wird beauftragt, die tatsächliche und rechtliche Situation zu analysieren und bis im Frühjahr 2010 einen Bericht mit Empfehlungen für das weitere Vorgehen zu erstellen. Geleitet wird die Arbeitsgruppe von Andreas Keller, Generalsekretär des DIV. Weiter sollen ihr Vertreter des Verbandes Thurgauer Gemeinden (VTG), der betroffenen Stellen innerhalb der Verwaltung sowie eine geeignete aussenstehende Person angehören.
     Der Departementschef hofft, dass damit eine Klärung der Situation möglich wird und ein breiterer Konsens über das weitere Vorgehen erzielt werden kann.

Im Kapitel 43. Presse 2009  befindet sich eine Auswahl von Pressetexten, welche zum "Marschhalt" bei der extremmundartlichen Schreibweise von Lokalnamen beigetragen haben.
  

Ein Klick auf die Graphik zeigt die Vergrösserung.
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Auf diesen 12 Blättern der Landeskarte 1:25'000 wird der Kanton Thurgau dargestellt. Die nächste Neuausgabe ist bereits 2010 vorgesehen. Nach dem Zeitplan der Arbeitsgruppe vom 13. August 2009 würden diese Blätter aber erst im Jahre 2016 Korrekturen an der Schreibweise von Lokalnamen enthalten!



Kommentar des Redaktors dieser Webseite vom 3. September 2009 zum Zeitplan der Arbeitsgruppe vom 13. August 2009

Damit allfällige Korrekturen der Schreibweise nicht erst auf der Neuausgabe 2016 der Landeskarte erscheinen, empfehle ich dringend:
  • Die Arbeitsgruppe verhandelt unverzüglich mit dem Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) über den letztmöglichen Termin für die Berücksichtigung von Änderungsbegehren des Kantons Thurgau für die nächste Neuausgabe der Landeskarten 1:25'000 im Gebiete des Kantons Thurgau, welche bereits für das Jahr 2010 vorgesehen ist.
  • Nötigenfalls werden unbestrittene Änderungen der Schreibweise von Lokalnamen bewohnter Gebieten vordringlich behandelt, damit solche Änderungen bereits bei der nächsten geplanten Neuausgabe im Jahre 2010 und nicht erst bei der übernächsten Neuausgabe im Jahre 2016 in die Landeskarte übernommen werden können.

Ausführliche Begründung gemäss Webseiten des Bundesamtes für Landestopografie: PDF, 31 KB.


Kommentar des Redaktors dieser Webseite vom 18. September 2009, eine pessimistische Prognose.
Aus meiner Sicht scheint es, dass die Thurgauer Arbeitsgruppe nicht rechtzeitig aktiv wird. Ich befürchte darum, dass sich die Geschichte der extremmundartlichen Schreibweise im Kanton Thurgau wie folgt entwickeln könnte:
  • Im Laufe des Jahres 2010 würden turnusgemäss die neuen Blätter der Landeskarte erscheinen.
  • Auf diesen Kartenblättern würden unverändert die bisherigen, extremmundartlich geschriebenen Lokalnamen stehen und sogar noch zusätzliche, extremmundartlich revidierte Schreibweisen gemäss den bisher noch nicht realisierten Beschlüssen der Nomenklaturkommission des Kantons Thurgau.
  • Die Arbeitsgruppe und die Regierung des Kantons Thurgau würden vermutlich mit Vorwürfen aus der Bevölkerung überhäuft.
  • Dann würde die Aufregung langsam abflauen und man würde sich bis zur nächsten Ausgabe der Landeskarten im Jahre 2016 an die extremmundartlichen Schreibweisen gewöhnt haben.

Wenn also 2010 eine Neuauflage der Landeskarten mit den bisherigen und sogar zusätzlichen extremmundartlichen Schreibweisen erscheinen würde, hätte dies für den Kanton Thurgau folgende schwerwiegende Nachteile:
  • Der heutige Wirrwarr in den Schreibweisen würde noch länger andauern.
  • Die daraus folgenden volkswirtschaftlichen Kosten wären noch höher.
  • Die volkswirtschaftlichen Kosten für das Auflösen des Wirrwars wären ebenfalls höher.
  • Die zu erwartenden politischen Angriffe gegen Arbeitsgruppe und Regierung wären berechtigt; die Publikation neuer Landeskarten mit unverändert extremmundartlich geschriebenen Lokalnamen würde schweizweit als Schildbürgerstreich belächelt.
Wenn hingegen die Arbeitsgruppe effizient arbeitet und die extremmundartlichen Schreibweisen der wichtigsten Lokalnamen rasch rückgängig macht, kann der heutige Wirrwarr in den Schreibweisen bald behoben werden.
     Sollte dadurch die Neuauflage der Landeskarten um einige Monate verzögert werden, stünde dieser Nachteil in keinem Verhältnis zu den volkswirtschaftlichen und politischen Vorteilen einer vorangehenden Bereinigung des Wirrwarrs der Schreibweisen.

Die Möglichkeit einer Neuauflage der Landeskarten im Jahre 2010 mit noch mehr  - statt weniger - extremmundartlich geschriebenen Lokalnamen (gemäss den obenstehenden Kommentare vom 3. und vom 18. September 2009) wurde in der Thurgauer Zeitung vom 24. September 2009 publik gemacht.



23. März 2010.
Bericht der Arbeitsgruppe Orts- und Flurnamen.


Kanton Thurgau, Departement für Inneres und Volkswirtschaft, Generalsekretariat.


Der Bericht wurde erst im Juni 2010 auf diese Webseite gestellt.
Bericht im PDF-Format. Hier klicken:   64 KB

Bericht, Transkription.


Kanton Thurgau
Departement für Inneres und Volkswirtschaft, Generalsekretariat

Bericht der Arbeitsgruppe Orts- und Flurnamen

Bericht vom 23. März 2010

Arbeitsgruppe Orts- und Flurnamen
Andreas Keller, Präsident
Christian Dettwiler
Andy Heller
Roland Kuttruff
Thomas Merz-Abt
Alfons Fratschöl, Sekretär


Inhaltsverzeichnis

1   Ausgangslage

2   Einsetzung einer Arbeitsgruppe

3   Rechtliche Grundlagen
3.1   Überblick
3.2   Empfehlungen/Richtlinien des Bundes vom 20. Januar 2010
3.3   Kantonale Nomenklaturkommission
3.4   Namensbegriffe und ihre Definitionen
3.5   Gemeinde- und Ortschaftsnamen
3.6   Strassennamen und Gebäudeadressierungen
3.7   Stationsnamen
3.8   Ortstafeln
3.9   Wegweiser
3.9.1   Strassenverkehr
3.9.2   Wanderwege

4   Umsetzung auf kantonaler Ebene
4.1   Kanton Thurgau
4.2   Andere Kantone
4.3   Beurteilung der bisherigen Thurgauer Praxis

5   Erwägungen für das weitere Vorgehen
5.1   Ortsnamen
5.2   Flurnamen
5.3   Hinweis zum Thurgauer Namenbuch

6   Empfehlungen der Arbeitsgruppe
6.1   Empfehlungen für die Schreibweise der Orts- und Flurnamen
6.2   Empfehlungen an den Vorsteher des DIV
6.2.1   Umsetzung in den bereits bearbeiteten Gebieten
6.2.2   Umsetzung in den noch nicht bearbeiteten Gebieten
6.2.3   Umsetzung in den gegenwärtig bearbeiteten Gebieten 6.3   Empfehlungen an den Regierungsrat


1   Ausgangslage

Die Benennung von Orten ist ein uraltes menschliches Bedürfnis, weil sie einerseits der Orientierung des Menschen in seiner Umwelt dient und andererseits auch die Zuordnung von Rechtsverhältnissen (Eigentum, Nutzung etc.) auf geografische Objekte ermöglicht. Entsprechend sind Orts- und Flurnamen teilweise sehr alt, stammen aus der Antike oder aus dem Mittelalter und haben in Aussprache und Schreibweise eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die eigentliche Bedeutung mancher Namen kann nur noch von spezialisierten Personen, in Einzelfällen gar nicht mehr hergeleitet werden.

Die meisten Ortsnamen waren schon in Gebrauch, bevor sie erstmals schriftlich erwähnt wurden. Entsprechend sind die ursprüngliche Aussprache und die ersten Veränderungen in der Aussprache oft nicht dokumentiert. Die frühen schriftlichen Erwähnungen gehen meist auf Rechtsgeschäfte zurück, die mit dem betreffenden Ort in Verbindung stehen. Aus den nach und nach entstandenen und überlieferten Urkunden ergibt sich eine zufällige Folge von Momentanaufnahmen, aus der sich ein Name, seine Bedeutung, seine Schreibweise und die Wandlungen in der Schreibweise nachweisen lassen. Daraus können auch Rückschlüsse auf die Entwicklung der mündlichen Aussprache gezogen werden, auch wenn zuweilen ein beträchtlicher Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache besteht.

In der Schweiz ist der Gegensatz zwischen gesprochener schweizerischer Mundart und hochdeutscher Schriftsprache besonders gross, was sich auch bei den Orts- und Flurnamen zeigt. Im Laufe der Zeit entwickelten die der Schriftsprache mächtigen Urkundspersonen wohl eine gewisse Tendenz zur hochdeutschen Schreibweise und "übersetzten" die gesprochenen Orts- und Flurnamen in mehr oder weniger ähnliche hochdeutsche Formen. Die ständige Zunahme der Schriften und des Schriftverkehrs in der beginnenden Neuzeit verstärkte die Bedeutung der hochdeutschen Schriftsprache, bewirkte dann aber im 19. Jahrhundert auch eine Gegenbewegung, weil die mündliche Überlieferung der Volkskultur und die gesprochene Sprache als gefährdet erkannt wurden. Diese Gegenbewegung erfasste auch den Thurgau, so dass der Historische Verein im November 1870 in einer Schrift forderte, die Orts- und Flurnamen des Kantons Thurgau seien "so zu schreiben, wie sie das Volk spricht, also in der Mundart, nicht halb hochdeutsch, wie sie oft in den Grundbüchern erscheinen."

Im Jahre 1935 wurde ein Bundesgesetz über die Erstellung neuer Landeskarten erlassen, was unter anderem auch zur Folge hatte, dass die Orts- und Flurnamen erstmals in der ganzen Schweiz systematisch zu erfassen waren. Ob dies in Mundart oder Schriftsprache erfolgen sollte, gab bald viel zu reden und zu schreiben, zumal gleichzeitig in der Schweiz eine Strömung entstand, sich sprachlich von Nazideutschland abzusetzen. Der Bundesrat fasste eine mundartnahe Schreibweise ins Auge, doch unterbrach der 2. Weltkrieg dann die Arbeiten an der Landeskarte und an den sprachlichen Richtlinien.

Als die Arbeiten nach dem Krieg wieder aufgenommen wurden, war der Sprachenstreit noch nicht entschieden. Im Thurgau wurden die gegensätzlichen Einstellungen während Jahren vertreten durch den damaligen Kantonsgeometer, der Hochdeutsch bevorzugte, und den damaligen Staatsarchivar, der für eine mundartnahe Schreibweise eintrat. Schliesslich setzte sich die mundartnahe Schreibweise durch, was allerdings bereits 1956 zu einer Kontroverse auf der Leserbriefseite der Thurgauer Zeitung führte.

Ziel der Erfassung der Orts- und Flurnamen in mundartnaher Schreibweise ist, die Kenntnisse über diese Namen und ihre lokale Aussprache als Kulturgut zu bewahren, bevor sie gänzlich in Vergessenheit geraten. Diese Erfassung und Sicherung des Kulturgutes in wissenschaftlicher Form - insbesondere im Thurgauer Namenbuch - ist in Politik und Bevölkerung praktisch unbestritten. Allerdings wurden die entsprechenden Namen in der Folge für die Landeskarten - insbesondere auch für die Thurgauer Wanderkarte - übernommen. Dadurch wurden für die Bevölkerung plötzlich die Differenzen zwischen den neuen Mundartnamen der Karte und den in der Gemeinde, auf Adressen, Ortstafeln und Wegweisern verwendeten traditionellen Schreibweisen sichtbar.

Die Differenzen sind teilweise geringfügig, indem das in der Mundart nicht ausgesprochene -n am Schluss eines Namens weggelassen wird (z.B. Hofen neu Hofe). In anderen Fällen sind die entstanden Differenzen aber so gross, dass die Identität der Ortschaft teilweise kaum mehr erkennbar ist. Der bekannteste Fall, der durch die Medien fast nationale Bekanntheit erlangte, betrifft den in der Gemeinde Fischingen gelegenen Weiler Rotbühl, der in den Landeskarten neu als Roopel bezeichnet wird. Ein anderes auffälliges Beispiel ist Hohrain bzw. Hooraa in der Gemeinde Wäldi.

Solche mundartnahen Schreibweisen stiessen in der Bevölkerung, bei Grundeigentümern und -eigentümerinnen, bei einigen Gemeinden und auch in politischen Kreisen zunehmend auf Widerstand und Kritik. Während den Sommermonaten 2009 entwickelte sich das Thema zum Dauerbrenner in den Medien. Insbesondere die lokalen Medien nahmen sich dieses Themas ausführlich an, aber auch die nationalen und sogar die süddeutschen Medien berichteten darüber. Der Vorsteher des zuständigen Departementes für Inneres und Volkswirtschaft (DIV), Regierungsrat Kaspar Schläpfer, musste die Vorgehensweise des Kantons wiederholt rechtfertigen. Trotzdem ebbte die Kritik namentlich auch in Leserbriefen - keineswegs ab.

Unter Bezugnahme auf die Medienkampagne wurde im Grossen Rat eine Einfache Anfrage eingereicht, in deren Beantwortung sich der Regierungsrat bereit erklärte, der breit geäusserten Kritik vermehrt Rechnung zu tragen (Einfache Anfrage von Thomas Merz-Abt vom 17. Juni 2009 "Bereinigung von Orts- und Flurnamen", beantwortet am 3. August 2009).


2   Einsetzung einer Arbeitsgruppe

Die sich ausbreitende Kritik an der mundartnahen Schreibweise der Orts-  und Flurnamen sowie die noch darzulegenden Änderungen der bundesrechtlichen Vorgaben veranlassten den Vorsteher des DIV am 13. August 2009, einen Marschhalt anzuordnen und eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Die Arbeitsgruppe erhielt den Auftrag, die tatsächliche und rechtliche Situation hinsichtlich der Festsetzung und Schreibweise von Orts- und Flurnamen sowie weiteren Namen zu analysieren und bis zum 30. April 2010 einen Bericht mit Empfehlungen für das weitere Vorgehen zu erstellen.

In die Arbeitsgruppe wurden berufen:
  • Andreas Keller, lic. iur., Generalsekretär DIV, Präsident
  • Christian Dettwiler, dipl. Ing. ETH, Kantonsgeometer und Chef des Amtes für Geoinformation
  • Andy Heller, dipl. Bauing. ETH/SIA, Chef des kantonalen Tiefbauamtes
  • Roland Kuttruff, Gemeindeammann, Präsident des Verbandes Thurgauer Gemeinden
  • Thomas Merz-Abt, Professor Dr. phil., Kantonsrat
  • Alfons Fratschöl, lic. iur., Rechtsdienst DIV, Sekretär der Arbeitsgruppe

Die Arbeitsgruppe hat in vier Sitzungen die aktuelle Situation analysiert und verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Daneben wurden Gespräche mit dem für das Thurgauer Namenbuch zuständigen Sprachwissenschaftler Dr. Eugen Nyffenegger, mit Vertretern des Vereins Thurgauer Wanderwege und weiteren betroffenen Stellen durchgeführt.


3   Rechtliche Grundlagen

3.1   Überblick
Nach der ursprünglichen Fassung von Art. 950 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (ZGB; SR 210) hatte die Aufnahme und Beschreibung der einzelnen Grundstücke im Grundbuch auf Grund eines Planes zu erfolgen, der in der Regel auf einer amtlichen Vermessung beruhte. Der Bundesrat hatte zu bestimmen, nach welchen Grundsätzen die Pläne anzulegen waren.

Vor dem Hintergrund des einleitend bereits geschilderten Sprachenstreits in den 1930er Jahren beschloss der Bundesrat am 22. Februar 1938, dass die Lokalnamen auf der geplanten Landeskarte der Schweiz mundartnah geschrieben werden sollten. Gestützt darauf - aber erst nach dem 2. Weltkrieg - erliess das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am 27. Oktober 1948 Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz (Weisungen von 1948). Diese Weisungen sahen vor, dass die Schreibweise der Namen von geringer, lokaler Bedeutung in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache zu erfolgen habe. Davon ausgenommen waren unter anderem Namen der Politischen Gemeinden und Namen, denen infolge ihrer geographischen, historischen oder literarischen Bedeutung ein allgemeines Interesse zukam sowie solche an kantonsübergreifenden Objekten wie beispielsweise Bergketten, Flüsse und Seen. Diese Namen sollten nach Möglichkeit in der herkömmlichen, allgemein üblichen Schreibweise belassen werden.

In der Folge wurde der erste Bundesratsbeschluss von 1938 durch einen neuen Bundesratsbeschluss über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen vom 5. Februar 1954 ersetzt. Dieser wiederum wurde am 30. Dezember 1970 durch die Verordnung des Bundesrates über die Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen (NamenV) abgelöst. In allen drei erwähnten Erlassen wurde festgeschrieben, dass die Erhebung und Schreibweise der Ortsnamen bzw. der Lokalnamen nach Massgabe der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) aufzustellenden Grundsätze zu erfolgen hatte, also nach den bereits erwähnten Weisungen des EJPD von 1948.

Der zunächst verwendete Begriff "Lokalnamen" wurde in den neueren Erlassen ab 1954 durch den Begriff "Ortsnamen" ersetzt. Zu den Ortsnamen zählen gemäss Art. 2 Abs. 2 NamenV einerseits die Namen der bewohnten Orte wie Städte, Dörfer, Weiler, Häusergruppen und einzelner Häuser sowie anderseits die Namen aller übrigen Gebiete. Der Begriff "Flurnamen" erscheint nicht explizit in dieser Definition, fällt aber zusammen mit den Geländenamen unter die "übrigen Gebiete".

Die Rechtslage änderte sich grundsätzlich, als die NamenV von 1970 am 1. Juli 2008 durch die Verordnung über die geografischen Namen (GeoNV; SR 510.625) abgelöst wurde. In Art. 4 GeoNV werden die Grundsätze für die Festlegung und Schreibweise von geografischen Namen umschrieben. Die Namen müssen einfach schreib- und lesbar sowie allgemein akzeptiert sein (Abs. 1). Sie sind ferner, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion zu formulieren (Abs. 2).

Damit weicht das neue Bundesrecht seit 2008 deutlich von dem seit dem 2. Weltkrieg verfochtenen Grundsatz der mundartnahen Schreibweise ab. Gleichzeitig hält Art. 4 Abs. 3 GeoNV aber auch fest, dass geografische Namen und ihre Schreibweise nur aus öffentlichem Interesse geändert werden dürfen. Dies wiederum heisst, dass die bereits in Mundart geänderten Namen nicht ohne weiteres wieder zurück in die schriftsprachliche Form gebracht werden dürfen. Die gemäss Art. 6 GeoNV vorgesehenen Vollzugsregelungen der zuständigen Bundesämter liessen leider auf sich warten.

3.2   Empfehlungen/Richtlinien des Bundes vom 20. Januar 2010
Erst am 20. Januar 2010 veröffentlichten das Bundesamt für Landestopografie, das Bundesamt für Verkehr und das Bundesamt für Statistik Empfehlungen zur Schreibweise der Gemeinde- und Ortschaftsnamen sowie Richtlinien zur Schreibweise der Stationsnamen (nachfolgend zitiert als Empfehlungen/Richtlinien 2010).

Die Empfehlungen/Richtlinien 2010 gehen von Art. 4 GeoNV aus, wonach geografische Namen einfach schreib- und lesbar, allgemein akzeptiert und soweit möglich und sinnvoll in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert sein sollen.

Demnach sollen möglichst einfache, kurze und einprägsame Namen mit vertrautem Schriftbild gewählt werden, welche nicht zu Missverständnissen führen. Unter "Anlehnung an die Standardsprache" wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweise von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt.

Die Empfehlungen/Richtlinien 2010 gelten in erster Linie für grössere besiedelte Gebiete wie Gemeinden und Ortschaften. Sodann heisst es aber wörtlich (S. 10):

Der Grundsatz, Namen "soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen", bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise· der Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.

Diese Empfehlungen/Richtlinien 2010 wurden zu einem Zeitpunkt publiziert, als die Arbeitsgruppe mit der Erstellung des vorliegenden Berichtes bereits weit fortgeschritten war. Sie konnten aber noch in den Bericht einbezogen werden.

3.3   Kantonale Nomenklaturkommission
Mit der bereits genannten Verordnung des Bundesrates von 1970 wurden die Kantone verpflichtet, eine kantonale Nomenklaturkommission aus drei bis fünf Mitgliedern zu bestellen, welche die vom ausführenden Ingenieur-Geometer erhobenen Namen auf ihre Richtigkeit zu prüfen und deren Schreibweise festzusetzen hat (Art. 3 NamenV). Dieser Vorgabe entsprechend setzte der Regierungsrat eine kantonale Nomenklaturkommission ein und betraute sie mit der Erhebung, Festsetzung und Änderung der Ortsnamen und ihrer Schreibweise. Die Nomenklaturkommission besteht aus dem Kantonsgeometer als Präsidenten, der für das Thurgauer Namenbuch zuständigen Person sowie einem ortskundigen Mitglied, welches von der jeweiligen Gemeinde bestimmt und entschädigt wird. Entscheide der kantonalen Nomenklaturkommission sind beim Gemeinderat anfechtbar. Über Rekurse der Gemeinde entscheidet das DIV. Entscheide des DIV können an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden (vgl. §§ 14 und 15 der Verordnung des Regierungsrates über die amtliche Vermessung [RRV A V; RB 211.441]).

3.4   Namensbegriffe und ihre Definitionen
Mit der GeoNV von 2008 führte der Bund neue Begriffe ein. Auch der bereits gebräuchliche Begriff "Flurnamen" fand Eingang in die Verordnung (vgl. Art. 3 lit. b GeoNV). In Artikel 3 werden einige Begriffe näher umschrieben, insbesondere:
  • Geografische Namen sind Namen von Gemeinden, Ortschaften, Strassen, Stationen und von topografischen Objekten (Gewässer, Gletscher, Siedlungen, Gelände, Landschaften, kulturelle Objekte, öffentliche Bauten sowie besondere Objekte von Verkehrsverbindungen).
  • Geografische Namen der amtlichen Vermessung sind eine Teilmenge der geografischen Namen. Es sind jene Namen der topografischen Objekte, die in der Datenstruktur der amtlichen Vermessung in den Informationsebenen Nomenklatur (Flurnamen, Ortsnamen und Geländenamen), Bodenbedeckung und Einzelobjekte verwendet werden.
         Die für den vorliegenden Bericht besonders interessierenden Flurnamen, Ortsnamen und Geländenamen bilden demnach eine Unterkategorie der geografischen Namen der amtlichen Vermessung.
  • Ortschaften sind bewohnte geografisch abgrenzbare Siedlungsgebiete mit eigenem Namen und eigener Postleitzahl.

Die Namen der Ortschaften sind demnach Teil der postalischen Adressen. Sie sind im Datenmodell der amtlichen Vermessung der Informationsebene administrative Einteilungen zugeordnet und werden dort zusammen mit der (sechsstelligen) Postleitzahl abgebildet. Eine Ortschaft umfasst einen oder mehrere Orte (resp. Ortsteile), deren Namen (Ortsnamen) in der amtlichen Vermessung auf der Informationsebene Nomenklatur erscheinen (vgl. Empfehlungen/Richtlinien 2010, S. 7).

3.5   Gemeinde- und Ortschaftsnamen
Das Bundesamt für Landestopografie ist für die Vorprüfung und Genehmigung von Gemeinde- und Ortschaftsnamen zuständig. Im Streitfall entscheidet der Bundesrat endgültig.

Der Name einer Gemeinde muss im ganzen Gebiet der Schweiz eindeutig sein und darf zu keiner Verwechslung mit dem Namen einer anderen Gemeinde Anlass geben. Massgebend für Gemeindenamen sind Art. 6 Abs. 2 lit. a und Art. 10 ff. GeoNV.

Der Name und die Schreibweise von Ortschaften sowie deren geografische Abgrenzung werden nach Anhörung der betroffenen Gemeinden und der Schweizerischen Post von der nach kantonalem Recht zuständigen Stelle bestimmt. Im Kanton Thurgau wurden die Ortschaftsnamen bis anhin von der kantonalen Nomenklaturkommission festgelegt. Die rund 350 Ortschaftsnamen sind grundsätzlich in der Schriftsprache geschrieben. Die Post legt die Postleitzahl der festgelegten Ortschaften nach Anhörung von Kanton und Gemeinden fest und teilt sie dem Bundesamt für Landestopografie mit, welches das amtliche Ortschaftenverzeichnis führt. Massgebend für Ortschaftsnamen sind Art. 6 Abs. 2 fit. b und Art. 20 ff. GeoNV.

3.6   Strassennamen und Gebäudeadressierungen
Es bestehen Empfehlungen des Bundesamtes für Landestopografie zur Schreibweise der Strassennamen und der Gebäudeadressierungen. Zur Gebäudeadresse gehören der Strassenname, die Hausnummer, die Postleitzahl und die Ortschaft. Die Kantone haben die Zuständigkeit und das Verfahren für die Festlegung und Harmonisierung der Strassennamen zu regeln. Gestützt auf § 51 des Gesetzes über Strassen und Wege (StrWG; RB 725.1) ist die Gemeindebehörde für das Benennen der Strassen und Wege zuständig. Der Gemeinderat bestimmt damit auch die Schreibweise der Namen von Kantonsstrassen und -wegen. Es ist ihm freigestellt, ob er den Strassen und Wegen schriftsprachliche Namen zuweist oder auf mundartnahe Flurnamen zurückgreift. Den Gemeinden ist zu empfehlen, bei Strassennamen und Wegweisern darauf zu achten, dass die verwendete Schreibweise nicht im Widerspruch zur Schreibweise von gleichlautenden Flurnamen steht. Massgebend für Strassennamen und Gebäudeadressierungen sind Art. 6 Abs. 2 lit. c und Art. 25 f. GeoNV.

3.7   Stationsnamen
Das Bundesamt für Verkehr legt auf Gesuch hin die Stationsnamen fest. Art. 27 GeoNV enthält Grundsätze für die Festlegung von Stationsnamen. Eine Station erhält den Namen der Ortschaft, die sie bedient. Detaillierte Vollzugsregelungen sind in den Empfehlungen/Richtlinien 2010 (S. 14 ff.) enthalten. Im Streitfall entscheidet der Bundesrat endgültig über die Namen von Stationen. Als Stationen gelten Bahnhöfe, Stationen, einschliesslich Tal-, Berg- und Zwischenstationen, sowie Haltestellen aller regelmässigen, der Personenbeförderung dienenden Fahrten nach Art. 1 Abs. 2 der Fahrplanverordnung vom 25. November 1998 (SR 742.151.4).

3.8   Ortstafeln
Im kantonalen Recht wird nicht geregelt, welche Behörde die Namen auf Ortstafeln und deren Schreibweise festlegt. In der Praxis hat jeweils das Tiefbauamt in Absprache mit den Gemeinden darüber entschieden. Für die Namen auf Ortstafeln wurde bisher die traditionelle Schreibweise - also grundsätzlich die Schriftsprache - verwendet.

3.9   Wegweiser

3.9.1   Strassenverkehr
Für die Wegweiser und Hinweisschilder im Strassenverkehr ist der Kanton zuständig. Wegweiser zu kleinen Weilern oder lokale Verkehrsführungen sind Sache der Gemeinden.

3.9.2   Wanderwege
Wanderwege, die von kantonaler oder regionaler Bedeutung sind, zählen zu den Kantonswegen. Das Netz der Kantonsstrassen und Kantonswege wird vom Grossen Rat festgelegt. Der Kanton trägt die Kosten für die Kennzeichnung der Wanderwege des Kantons (§§ 5 und 49 StrWG). Fachstelle des Kantons für Wanderwege ist das Tiefbauamt. Der Unterhalt und die Kennzeichnung der Wanderwege wurden dem Verein Thurgauer Wanderwege übertragen. Die Wegweiser werden aufgrund von Kontrollgängen pragmatisch ersetzt, wenn ihr Zustand dies verlangt oder wenn andere Nah- oder Routenziele angegeben werden müssen. Flurnamen tauchen auf Standortwegweisern auf. Die Schreibweise der Namen auf den Wegweisern richtet sich nach der Landeskarte1:50 000 oder, wenn dort kein Name verzeichnet ist, nach der Landeskarte 1:25 000. Eine Namensänderung allein führt nicht automatisch dazu, dass die entsprechenden Wegweiser angepasst werden. Steht aber ohnehin der Ersatz eines Wegweisers an, wird ein allfälliger neuer Name übernommen.


4   Umsetzung auf kantonaler Ebene

4.1   Kanton Thurgau
Im Thurgau wurden die Flurnamen ab 1950 durch Sprachwissenschaftler erhoben. 1950 erhielt zunächst Oskar Bandle, der damals noch Student war, vom damaligen Staatsarchivar Dr. Bruno Meyer den Auftrag, die Flurnamen der Thurgauer Gemeinden phonetisch aufzunehmen. Später wurde der grösste Teil der Sammlung des Thurgauer Namenbuches zwischen 1979 und 1989 im Auftrag des Regierungsrates von Dr. Eugen Nyffenegger erhoben. Die Sprachwissenschaftler nahmen jeweils Kontakt mit den Ortsund Gemeindebehörden auf und baten um die Benennung von geeigneten Gewährspersonen, also von Personen, welche am Ort aufgewachsen, mit Feld, Wald und Gewässern vertraut waren und die örtliche Mundart beherrschten. Die Namen wurden in phonetischer Schrift erhoben. Dazu wurde ein kurzer Ortsbeschrieb notiert und der Geltungsbereich des Namens mit Pfeilen in einem Vermessungsplan eingetragen. Ab 1979 fanden bei einer Neuvermessung formelle Sitzungen der Nomenklaturkommission statt. Mitglieder der Kommission waren der Kantonsgeometer, der Projektleiter des Thurgauer Namenbuches (Dr. Eugen Nyffenegger) und die Gewährspersonen der jeweils betroffenen Gemeinde. In der Regel waren bei den Sitzungen zwei bis fünf von der Gemeinde bestimmte Gewährspersonen anwesend. Der Kantonsgeometer legte die von der Nomenklaturkommission festgelegten Namen dem Gemeinderat zur Prüfung vor. Anschliessend wurden den Liegenschaftsbesitzern Güterzettel zugestellt, in denen die Flurnamen ihrer Grundstücke verzeichnet waren. Nach dem Inkrafttreten der RRV A V am 1. Januar 1996 wurden die Güterzettel mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen.

In 64 von 80 Gemeinden wurden die Flurnamen (14'800) bereits rechtskräftig festgesetzt. In 12 Gemeinden sind die Flurnamen (2'950) zwar erhoben worden, jedoch noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Noch nicht bearbeitet worden sind die verbleibenden rund 1 '400 Flurnamen in den Gemeinden Amriswil, Diessenhofen, Egnach, Gachnang sowie in einem Teil der Gemeinde Salenstein. Nach dem Stand von März 2010 sind demnach von den insgesamt 19'150 Flurnamen bereits fast 93 Prozent bearbeitet worden.

Im Rahmen der amtlichen Vermessung wurden hauptsächlich Flurnamen erhoben. Da die Erhebung flächendeckend erfolgte, wurden aber auch Namen bewohnter Orte miteinbezogen. Die Ortsnamen umfassten damals die bewohnten Orte und die übrigen Gebiete (Art. 2 Abs. 2 NamenV), so dass die Orts- und Flurnamen ohne genaue Abgrenzung erhoben wurden. Demzufolge tauchen auf den Landeskarten nun auch bewohnte Orte in der mundartnahen Schreibweise auf.

Eine systematische Erfassung der bewohnten Orte erfolgte bislang nicht. Die Informationsebene Nomenklatur der amtlichen Vermessung enthält daher im Thurgau unter der Kategorie Ortsnamen noch keine Eintragungen.

4.2   Andere Kantone
Die genannten bundesrechtlichen Vorgaben wurden in den Kantonen unterschiedlich umgesetzt. Vielerorts wurden eigene Schreibregeln entwickelt, weil die Weisungen des Bundes von 1948 veraltet und wenig eindeutig waren. Eine Einheitlichkeit ist aber nicht zu erkennen. In praktisch allen Kantonen lassen sich mundartliche und schriftsprachliche Formen nachweisen, so dass sich kaum klar unterscheiden lässt, welcher Kanton welche Praxis verfolgt. Am ehesten gelingt eine Unterscheidung, wenn man darauf abstellt, wie mit dem in der Mundart nicht gesprochenen Schluss -n (dem sogenannten Guntram-Saladinschen -n) umgegangen wird. Hier zeigt sich, dass nebst dem Thurgau noch die Kantone Bern, Luzern, Schaffhausen und Wallis die mundartliche Form pflegen. In den Kantonen Aargau, Glarus und St. Gallen finden sich verbreitet beide Formen, während die übrigen Deutschschweizer Kantone (ZH, UR, SZ, OW, NW, ZG, SO, BS, BL, AR, AI, GR) das -n überwiegend schreiben, was eher auf Schriftsprache hinweist. Insgesamt scheint es so, dass nur wenige Kantone so konsequent auf Mundart gesetzt haben wie der Thurgau.

4.3   Beurteilung der bisherigen Thurgauer Praxis
Die Eidgenössische Vermessungsdirektion des Bundesamtes für Landestopografie (swisstopo) bezeichnete im Jahre 2004 die von der Nomenklaturkommission des Kantons Thurgau verfolgte Praxis über die Schreibweise von Flurnamen als bundesrechtskonform und die Schreibregeln als fortschrittlich und beispielhaft. Bei einer etwas realistischeren Betrachtung kann man sagen, dass die im Thurgau jahrzehntelang verfolgte Praxis dem bundesrechtlich vorgegebenen Grundsatz der mundartnahen Schreibweise ausserordentlich konsequent folgte und dabei teilweise auch - wie die folgenden Beispiele aufzeigen - von den Weisungen von 1948 abwich:
  • Wenn der Bund eine mundartnahe Schreibweise in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache verlangte, hätte dies nicht unbedingt eine konsequent mundartgetreue lautmalerische Schreibweise sein müssen. Bekannte und häufige Wortteile wie Hoh- / Tal- / -hüsere / -wile hätten keineswegs zwingend in Hoo- / Taal- / -hüüsere / -wiile umbenannt werden müssen.
  • Die Weisungen des Bundes verlangten unter anderem auch, dass die Namen leicht zu schreiben und zu lesen sein sollten. Diesem Anliegen hätten viele Namen in der ursprünglichen Form wohl besser entsprochen, als die neuen Formen mit Doppelvokalen (Hohenalber statt Hooenalber, Hohrain statt Hooraa).
  • Die Weisungen von 1948 sehen vor, dass allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg oder Feld, so zu belassen sind (also nicht Bärg oder Fäld). Die konsequente Umbenennung (Ottebärg, Imebärg, Sunebärg, Wiibärg, Chroobärg, Fäldhof; es gäbe dafür unzählige Beispiele) entspricht nicht den Weisungen des Bundes.
  • Präpositionen und häufig gebrauchte Adjektive, insbesondere in Verbindung mit schriftsprachlichen Wörtern, hätten in der schriftsprachlichen Form belassen werden sollen. Die Weisungen nennen als ausdrückliches Beispiel Kleine Allmend. Trotz dieses Beispiels wählte die Nomenklaturkommission im konkreten Fall den Namen Grossi Allmänd.
  • Der Name der Thur durfte, weil sie ein durch mehrere Kantone fliessender Fluss ist, nicht verändert werden. Wenn man bedenkt, dass die Thur dem Kanton immerhin auch den Namen gegeben hat, wäre es naheliegend gewesen, Namen mit dem Wortteil Thur- auch so zu schreiben (Thurberg, Thurfeld, Thurrain und nicht Tuurbärg, Tuurfäld, Tuurraa).
  • Namen, denen infolge ihrer geografischen Bedeutung ein allgemeines Interesse zukommt, hätten nach den Weisungen von 1948 in der allgemein üblichen Schreibweise belassen werden sollen. Bekannte Ausflugsziele und Naherholungsgebiete, denen zweifellos ein allgemeines Interesse auch auswärtiger Personen zukommt und die teilweise noch über gleichnamige Restaurationsbetriebe verfügen, wurden trotzdem umgetauft (Nole, Stäälibuck, Tuurbärg, Alewinde statt Nollen, Stählibuck, Thurberg, Allenwinden).

Der Thurgau ist jedoch nicht der einzige Kanton, der die Weisungen von 1948 nicht buchstabengetreu umsetzte. Der Grund lag darin, dass die Weisungen von 1948 übereinstimmend als veraltet und wenig eindeutig angesehen wurden. Der Bund war sich dessen bewusst, hat es aber während Jahrzehnten versäumt, die notwendigen KlarsteIlungen und Anpassungen an die Bedürfnisse der Zeit vorzunehmen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kantone die Weisungen von 1948 in ganz unterschiedlicher Form auslegten oder gar nicht umsetzten. Ein Blick auf die Landeskarten zeigt dies in aller Deutlichkeit: Es besteht ein Sammelsurium von unterschiedlichen Schreibweisen und es ist kaum ersichtlich, nach welchen Regeln diese jeweils festgelegt wurden. Dieser unbefriedigende Zustand ist letztlich darauf zurückzuführen, dass der Bund seine Führungsrolle nicht wahrnahm und bis in die jüngste Vergangenheit nicht auf die offensichtlich unterschiedlichen kantonalen Umsetzungen reagierte.

Allerdings wurde im Thurgau die Schreibweise von der Nomenklaturkommission sehr konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen, sondern eben möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise festgelegt. Diese Praxis steht im Gegensatz zu den Signalen, die aus der Bevölkerung zu vernehmen sind. Reorganisationsbestrebungen auf Stufe Kanton, Bezirke oder Gemeinden zeigen immer wieder, dass es schon sehr gute Argumente braucht, wenn Änderungen dieser Strukturen mehrheitsfähig sein sollen. Entsprechend problematisch ist es, wenn kleine Weiler und Einzelhöfe ohne wirklich erkennbaren Grund umbenannt werden. Solche Ortsnamen sind mit einem Heimatgefühl verbunden, das sich die Bevölkerung ohne wichtige Gründe nicht nehmen lassen will. Bezeichnenderweise ist den Mitgliedern der Arbeitsgruppe in ihren langjährigen Tätigkeiten im Kanton oder in den Gemeinden nie der Wunsch der Bevölkerung nach einer Umbenennung der vertrauten Ortsnamen zu Ohren gekommen. Insofern traf die von der Nomenklaturkommission verfolgte Praxis wohl nicht die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung.

Die Bevölkerung dürfte - nach den heute überwiegenden Reaktionen zu urteilen - primär an der Erhaltung der traditionellen und vertrauten Namen interessiert sein, ob diese nun mundartlich oder hochdeutsch geschrieben sind. Dabei weisen die Ortsnamen meist eine schriftsprachliche Form auf, während es bei den Flurnamen auch unzählige traditionelle Mundartformen gibt. Eine konsequente Umbenennung dieser Mundartnamen in Richtung Schriftsprache würde dabei wohl auch für viel Unmut sorgen.

Die Sicherung der Mundart als Kulturgut ist zweifellos ein gewichtiger Aspekt bei der Erhebung der Namen. Wenn die Namen aber im Rahmen der amtlichen Vermessung erhoben werden, darf auch nicht vergessen werden, dass sie letztlich ihren Niederschlag in der Landeskarte finden. Karten dienen der Orientierung; und zwar nicht primär der Einheimischen, die ihre Gegend ohnehin schon kennen, sondern der Orientierung der Fremden. Dieses Anliegen - welches gut lesbare Formen besonders bei den für Fremde interessanten Objekten verlangt - wurde wenig berücksichtigt.


5   Erwägungen für das weitere Vorgehen

5.1   Ortsnamen
Wie bereits dargelegt, bilden in der Informationsebene Nomenklatur die Ortsnamen (besiedelte Gebiete) und die Flurnamen (unbesiedelte Gebiete) neben den Geländenamen je eine eigene Kategorie. Die Ortsnamen wurden - im Gegensatz zu den Flurnamen und den Geländenamen - in der Informationsebene Nomenklatur noch nicht erfasst. Es steht somit im Datenmodell der A V 93 ein technisches Gefäss für die ausstehende Erhebung der Ortsnamen bereit.

Als Grundlage für die Aufbereitung der Ortsnamen bietet sich das von der Dienststelle für Statistik herausgegebene Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis (Ausgabe 2005) an (abrufbar unter http://www.statistik.tg.ch/xml_8/internet/de/application/f7338.cfm . In diesem Verzeichnis werden die in Zusammenarbeit mit den Gemeinden erhobenen besiedelten Gebiete (Ortschaften, Weiler, Höfe) des Kantons alphabetisch sowie nach Bezirken und Politischen Gemeinden aufgelistet. Insgesamt sind 1266 Siedlungen der genannten Art darin verzeichnet. Neben der traditionellen Schreibweise sind in Klammern von der Nomenklaturkommission festgesetzte sowie allfällige weitere Varianten der Schreibweisen zu ersehen. Die traditionelle Schreibweise entspricht der Schreibweise, wie sie in den Gemeinden über Jahrzehnte hinweg für die Bezeichnung der Siedlungen verwendet wurde. Das älteste im Staatsarchiv vorhandene Verzeichnis geht auf das Jahr 1838 zurück ("Verzeichnis der Ortschaften und Gemeinden des Kantons Thurgau" mit handschriftlichem Eintrag des Jahres 1838) und wurde dann periodisch erneuert. Die traditionelle Schreibweise ist dementsprechend in der Bevölkerung bekannt und fest verankert. Die Arbeitsgruppe spricht sich aus diesem Grund bei den Ortsnamen nicht für die konsequente Verwendung der Schriftsprache oder der Mundart aus, sondern befürwortet die traditionelle Schreibweise. Die traditionelle Schreibweise entspricht bei den Ortsnamen mehr der Schriftsprache als der Mundart und ist damit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 GeoNV einfacher schreib- und lesbar.

Für viele im Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis aufgeführte Namen ist von der kantonalen Nomenklaturkommission die mundartnahe Schreibweise festgelegt worden und diese Namen sind im Rahmen der amtlichen Vermessung vom Regierungsrat auch in dieser Form genehmigt worden. Eine Rückführung dieser Namen in die traditionelle Form kann nach Art. 4 Abs. 3 GeoNV erfolgen, wenn dafür ein öffentliches Interesse besteht. Ein solches öffentliches Interesse dürfte aus den dargelegten Gründen (Vertrautheit und Akzeptanz in der Bevölkerung, Lesbarkeit und Orientierungshilfe für Fremde) ohne weiteres zu bejahen sein. Hinzu kommt, dass die traditionelle Schreibweise mit den neuen Grundsätzen im Bundesrecht (insbesondere auch mit den Erläuterungen/Richtlinien 2010) mehr in Einklang steht, als die von der Nomenklaturkommission verwendete mundartnahe Schreibweise.

Angesichts der hohen Zahl der im Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis aufgeführten Namen (1266) ist zu überlegen, ob nur Siedlungen ab einer bestimmten Einwohnerzahl berücksichtigt werden sollten. Dieser Ansatz wird von der Arbeitsgruppe verworfen, weil er einen permanenten Nachführungsaufwand nach sich zieht und damit wenig praktikabel ist. In diesem Zusammenhang kann noch darauf hingewiesen werden, dass es im Ermessen des Bundesamtes für Landestopografie liegt, welche geografischen Namen der amtlichen Vermessung es für die kartografische Landesvermessung übernehmen will (Art. 7 Abs. 1 lit. b GeoNV). Auch unter diesem Aspekt erscheint es also nicht notwendig, die Zahl der im Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis aufgeführten Namen zu beschränken.

Es erscheint zweckmässig, wenn vor der Überführung der Namen des Ortschaften- und Siedlungsverzeichnisses in die amtliche Vermessung eine Vernehmlassung bei den Gemeinden durchgeführt wird, um die Daten auf den aktuellen Stand zu bringen. Diese Vorgehensweise wird gerade im Hinblick auf die bevorstehende Volkszählung 2010 auch von der Dienststelle für Statistik ausdrücklich befürwortet.

5.2   Flurnamen
Nachdem rund 93 Prozent der Flurnamen gemäss den bisherigen bundesrechtlichen Vorgaben in der mundartnahen Schreibweisen erhoben und rechtskräftig festgesetzt worden sind, erscheint es nicht angezeigt, für die verbleibenden Flurnamen vom Grundsatz der mundartnahen Schreibweise abzuweichen. Die Arbeitsgruppe ist jedoch zum Schluss gelangt, dass Ausnahmen von diesem Grundsatz gerechtfertigt sind, wenn einem Gebiet ein allgemeines Interesse oder eine über das Lokale hinausgehende Bedeutung zukommt. Dies kann bei den bekannten Ausflugszielen und Naherholungsgebieten der Fall sein, die teilweise sogar noch über gleichnamige Ausflugsrestaurants verfügen. Als Beispiele für solche Gebiete mit übergeordneter touristischer Bedeutung können die bereits genannten Fälle Ottebärg/Ottenberg, Imebärg/lmmenberg, Stäälibuck/Stählibuck, Nole/Nollen oder Tuurbärg/Thurberg genannt werden.

In solchen Fällen sollte die zuständige kantonale Stelle berechtigt sein, die Flurnamen zumindest auf Gesuch hin - zu überprüfen und allenfalls zu ändern. Hierzu muss eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die unter anderem auch konkretisiert, wann eine Abweichung vom Grundsatz der mundartnahen Schreibweise gerechtfertigt ist.

Die zuständige kantonale Stelle, welche zur Änderung von Flurnamen befugt sein soll, ist noch zu bestimmen. Nach dem geltenden § 14 RRV AV obliegt die Erhebung, Festsetzung und Änderung der Ortsnamen und ihrer Schreibweise der kantonalen Nomenklaturkommission. Die neuen bundesrechtlichen Ausführungsbestimmungen verlangen zwar immer noch, dass der Kanton eine Nomenklaturkommission einsetzt, doch werden deren Kompetenzen beschnitten (vgl. Art. 8 f. GeoNV). Es steht ihr nicht mehr die Befugnis zu, die geografischen Namen der amtlichen Vermessung festzulegen. Sie kann die Namen beim Erheben und Nachführen nur noch auf ihre sprachliche Richtigkeit und Übereinstimmung mit den Vollzugsregelungen nach Artikel 6 GeoNV prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung und ihre Empfehlungen der für die Festlegung der Namen zuständigen Stelle mitteilen (Art. 9 Abs. 2 und 3 GeoNV).

5.3   Hinweis zum Thurgauer Namenbuch
Auch wenn die Arbeitsgruppe bei den Ortsnamen der traditionellen schriftsprachlichen Form den Vorzug gibt, ist es an dieser Stelle angezeigt, die hervorragende wissenschaftliche Arbeit zu würdigen, die im Rahmen des Projektes Thurgauer Namenbuch unter dem Projektleiter Dr. Eugen Nyffenegger geleistet wurde. Damit wurde eine wesentliche Grundlage zur Erforschung der Siedlungs-, Sprach- und Kulturgeschichte des Kantons Thurgau gelegt, welche durch die Arbeitsgruppe ausdrücklich anerkannt und durch ihre Empfehlungen keineswegs in Frage gestellt werden soll.

6   Empfehlungen der Arbeitsgruppe

Die Arbeitsgruppe zog aus den vorstehenden Erwägungen die Folgerungen für ihre konkreten Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Nach der Publikation der Empfehlungen/Richtlinien des Bundes vom 20. Januar 2010 zeigte sich erfreulicherweise, dass die Beurteilungen der Arbeitsgruppe mit den neuen Vorgaben des Bundes übereinstimmen. Dies bestärkt die Arbeitsgruppe in der Überzeugung, dass sie mit den nachstehenden Empfehlungen eine praktikable und rechtlich gut abgestützte Lösung des aktuellen Thurgauer Namensstreits vorschlagen kann.

6.1   Empfehlungen für die Schreibweise der Orts- und Flurnamen

Die Schreibweise der Ortsnamen (besiedelte Gebiete) soll sich nach der traditionellen Schreibweise richten. Auszugehen ist vom Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis der Dienststelle für Statistik.

Flurnamen, denen ein allgemeines Interesse oder eine über das Lokale hinausgehende Bedeutung zukommt, sollen ebenfalls nach der traditionellen Schreibweise benannt werden. Dazu gehören beispielsweise bekannte Ausflugsziele und Naherholungsgebiete mit touristischer Bedeutung.

Die Schreibweise der übrigen Flurnamen (unbesiedelte Gebiete ohne besondere Bedeutung) soll grundsätzlich in Mundart nach den bisher angewandten Schreibregeln erfolgen.

6.2   Empfehlungen an den Vorsteher des DIV

6.2.1   Umsetzung in den bereits bearbeiteten Gebieten
  • Die im Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis der Dienststelle für Statistik aufgeführten traditionellen Namen sollen zunächst durch die Gemeinden bereinigt und dann als Ortsnamen in die Informationsebene "Nomenklatur" der amtlichen Vermessung aufgenommen werden.
  • Das DIV erhebt die Flurnamen, an denen ein allgemeines Interesse oder eine über das Lokale hinausgehende Bedeutung besteht, und sorgt dafür, dass für diese Namen grundsätzlich wieder die traditionelle Schreibweise eingeführt wird. Die betroffenen Gemeinden und Grundeigentümer sind vorher anzuhören.
  • Bei den übrigen Flurnamen bleiben die rechtskräftig festgelegten Namen bestehen. In Einzelfällen ist auf Begehren der Betroffenen das öffentliche Interesse an einer Änderung zu prüfen.

6.2.2   Umsetzung in den noch nicht bearbeiteten Gebieten
Ortsnamen, die im Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis aufgeführt sind, werden direkt entsprechend dieser traditionellen Schreibweise festgelegt.

Flurnamen werden grundsätzlich in Mundart nach den bisher angewandten Schreibregeln festgelegt. Ausgenommen sind Flurnamen, denen ein allgemeines Interesse oder eine über das Lokale hinausgehende Bedeutung zukommt. Hier sind grundsätzlich die traditionellen Namen zu bewahren.

6.2.3   Umsetzung in den gegenwärtig bearbeiteten Gebieten
Wenn die Güterzettel im Rahmen des Auflageverfahrens den betroffenen Grundeigentümern noch nicht zugestellt worden sind (vgl. § 17 RRV AV), werden die Ortsund Flurnamen wie bei den noch nicht bearbeiteten Gebieten festgelegt.

Sind bereits Güterzettel mit geänderten Namen an die betroffenen Grundeigentümer verschickt worden, wird das Verfahren ordentlich weitergeführt. In einem allfälligen Rekursverfahren können die neuen Grundsätze berücksichtigt werden.

6.3   Empfehlungen an den Regierungsrat

Am 1. Juli 2008 ist das Bundesgesetz über Geoinformation (Geoinformationsgesetz, GeolG; SR 510.62) mit diversen neuen oder teilrevidierten Ausführungsverordnungen in Kraft getreten. Die neuen bundesrechtlichen Vorgaben erfordern eine umfassende Neubearbeitung der kantonalen Rechtsgrundlagen. Die entsprechenden Umsetzungsarbeiten sind voll im Gange. Die Inkraftsetzung des kantonalen Gesetzes über Geoinformation ist auf den 1. Juli 2011 geplant. Ergänzend sind weitere Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Darin sind die Zuständigkeiten gemäss den bundesrechtlichen Vorgaben zu regeln. Im Zuge dieser Revisionsarbeiten ist unter anderem auch die kantonale Stelle zu bestimmen, welche für die Festlegung der geografischen Namen der amtlichen Vermessung und deren Änderung zuständig ist.

Arbeitsgruppe Orts- und Flurnamen

Der Präsident
lic. iur. Andreas Keller

Grundlagen

Abkürzungen
  • A V 93: Amtliche Vermessung 93
  • DIV: Departement für Inneres und Volkswirtschaft
  • EJPD: Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
  • GeolG: Bundesgesetz über Geoinformation vom 5. Oktober 2007 (Geoinformationsgesetz, SR 510.62)
  • GeoNV: Verordnung über die geografischen Namen vom 21. Mai 2008 (SR 510.625)
  • NamenV: Verordnung des Bundesrates über die Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen vom 30. Dezember 1970
  • RB: Thurgauer Rechtsbuch
  • RRV A V: Verordnung des Regierungsrates über die amtliche Vermessung vom 28. November 1995 (RB 211.441)
  • SR: Systematische Sammlung des Bundesrechts
  • StrWG: Gesetz über Strassen und Wege vom 14. September 1992 (RB 725.1)


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Bericht
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1 Ausgangslage
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2 Einsetzung einer Arbeitsgruppe
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3 Rechtliche Grundlagen
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3.1 Überblick
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3.2 Empfehlungen/Richtlinien des Bundes vom 20. Januar 2010
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3.3 Kantonale Nomenklaturkommission
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3.4 Namensbegriffe und ihre Definitionen
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3.5 Gemeinde- und Ortschaftsnamen
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3.6 Strassennamen und Gebäudeadressierungen
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3.7 Stationsnamen
        http://www.lokalnamen.ch/#id_2010032337
3.8 Ortstafeln
        http://www.lokalnamen.ch/#id_2010032338
3.9 Wegweiser
        http://www.lokalnamen.ch/#id_2010032339
3.9.1 Strassenverkehr
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3.9.2 Wanderwege
        http://www.lokalnamen.ch/#id_20100323392
4 Umsetzung auf kantonaler Ebene
        http://www.lokalnamen.ch/#id_201003234
4.1 Kanton Thurgau
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4.2 Andere Kantone
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4.3 Beurteilung der bisherigen Thurgauer Praxis
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5 Erwägungen für das weitere Vorgehen
        http://www.lokalnamen.ch/#id_201003235
5.1 Ortsnamen
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5.2 Flurnamen
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5.3 Hinweis zum Thurgauer Namenbuch
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6 Empfehlungen der Arbeitsgruppe
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6.1 Empfehlungen für die Schreibweise der Orts- und Flurnamen
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6.2 Empfehlungen an den Vorsteher des DIV
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6.2.1 Umsetzung in den bereits bearbeiteten Gebieten
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6.2.2 Umsetzung in den noch nicht bearbeiteten Gebieten
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6.2.3 Umsetzung in den gegenwärtig bearbeiteten Gebieten
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6.3 Empfehlungen an den Regierungsrat
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26. März 2010. Der Bericht liegt vor.
Auf Anfrage erklärt Regierungsrat Schläpfer, dass er in den nächsten Tagen den Bericht der Arbeitsgruppe erhalten werde. Dann werde er Resultate und Empfehlungen genau studieren und mit dem Regierungsrat besprechen.
Die erwähnte Arbeitsgruppe wurde vom Regierungsrat am 13. August 2009 eingesetzt.




Dies geht aus einem Artikel hervor, den Marc Haltiner in der Thurgauer Zeitung vom 26. März 2010 publiziert hatte. Vollständiger Text des Zeitungsartikels: PDF 333 KB.



  
28. Mai 2010, Mitteilung des Departementes für Inneres und Volkswirtschaft.

Quelle: Informationsdienst TG / Medienmitteilungen. www.informationsdienst.tg.ch

Grossformat
Roland Kuttruff, Präsident des VTG (Verband Thurgauer Gemeinden), Regierungsrat Kaspar Schläpfer und Andreas Keller, Generalsekretär DIV (Departement für Inneres und Volkswirtschaft) und Präsident der Arbeitsgruppe, präsentierten vor den Medien die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Orts- und Flurnamen im Kanton Thurgau.



Aus "Roopel" soll wieder "Rotbühl" werden.

Der Kanton Thurgau will der Kritik an den mundartlichen Orts- und Flurnamen Rechnung tragen. Auf Vorschlag einer Arbeitsgruppe hat der Chef des Departements für Inneres und Volkswirtschaft entschieden, die Ortsnamen wieder nach der traditionellen, schriftsprachlichen Schreibweise auszurichten. Dies soll auch bei Flurnamen möglich sein, die über das Lokale hinaus bekannt sind. Mit der Bereinigung der Orts- und Flurnamen wird eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, die ihre Arbeit bis Mitte 2011 beenden soll.

Im vergangenen Jahr gingen die Wogen wegen den fast durchwegs mundartlich ausgerichteten Orts- und Flurnamen im Thurgau hoch. In Zeitungsartikeln und Leserbriefen machten sich viele Thurgauerinnen und Thurgauer für die Beibehaltung der traditionellen Schreibweise, die sich mehr an die Schriftsprache anlehnt, stark. Im Grossen Rat wurde zu diesem Thema ein Vorstoss eingereicht. Aufgrund dieser Situation ordnete Regierungsrat Kaspar Schläpfer, Chef des Departements für Inneres und Volkswirtschaft, einen Marschhalt an und setzte eine Arbeitsgruppe ein. Sie erhielt den Auftrag, die tatsächliche und rechtliche Situation bezüglich der Schreibweise der Orts- und Flurnamen zu analysieren.

Gemäss den Empfehlungen der Arbeitsgruppe soll sich die Schreibweise der Ortsnamen, also der besiedelten Gebiete, wieder nach der traditionellen Schreibweise richten. Diese Schreibweise entspricht derjenigen, wie sie in den Gemeinden über Jahrzehnte hinweg für die Bezeichnung der Siedlungen verwendet wurde. Die traditionelle Schreibweise ist dementsprechend in der Bevölkerung bekannt und fest verankert. Sie entspricht bei den Ortsnamen mehr der Schriftsprache als der Mundart und ist damit einfacher schreib- und lesbar. Aus "Roopel" soll also wieder "Rotbühl" werden.

Als zweites sollen Flurnamen, die über das Lokale hinaus bekannt sind, denen ein allgemeines Interesse auch auswärtiger Personen zukommt und die teilweise über gleichnamige Restaurants verfügen, ebenfalls wieder in der traditionellen Schreibweise benannt werden. Dazu gehören beispielsweise Ausflugsziele und Naherholungsgebiete. So soll unter anderem aus "Nole" wieder "Nollen", aus "Stäälibuck" wieder "Stählibuck" und aus "Tuurbärg" wieder "Thurberg" werden. Die Schreibweise der übrigen Flurnamen, also von unbesiedelten Gebieten ohne besondere Bedeutung, soll grundsätzlich in Mundart nach den bisher angewandten Schreibregeln erfolgen.

Die Arbeitsgruppe hält in ihrem Bericht fest, dass im Thurgau die Schreibweise von der Nomenklaturkommission konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen, sondern sogar einer möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise festgelegt worden seien. Diese Praxis stehe aber im Gegensatz zu den Signalen, die aus der Bevölkerung zu vernehmen seien. Die Arbeitsgruppe geht deshalb davon aus, dass die Bevölkerung in erster Linie an der Erhaltung der traditionellen und vertrauten Namen interessiert sei, ob diese nun mundartlich oder hochdeutsch geschrieben seien. Dieses Vorgehen entspricht im Übrigen weitgehend den neuen Vorgaben des Bundes, die erst im Januar 2010, als die Arbeitsgruppe ihren Auftrag schon fast erledigt hatte, bekannt geworden waren.

Die neue Arbeitsgruppe, die ebenfalls unter dem Vorsitz von Andreas Keller, Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft, stehen wird, wird nun als erstes das Orts- und Siedlungsverzeichnis des Kantons Thurgau aktualisieren. Dieses Verzeichnis wurde von der Dienststelle für Statistik letztmals im Jahr 2005 herausgegeben. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft unterbreitet den Gemeinden anschliessend das überarbeitete Verzeichnis zur Vernehmlassung. Abschliessend werden die Ortsnamen in die amtliche Vermessung eingetragen.

Bezüglich Flurnamen erstellt die Arbeitsgruppe eine Liste der Flurnamen von allgemeinem Interesse. Auch zu dieser Liste können sich die Gemeinden vernehmen lassen. Die Rechtsgrundlagen sollen so angepasst werden, dass Streitfälle in erster Instanz vom Amt für Geoinformation entschieden werden. Rekurse werden vom Departement für Inneres und Volkswirtschaft behandelt.


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