1. Zusammenfassung

 

Revidierte Fassung vom 30. Dezember 2015 von Paul Märki














Grossformat

Entlisberg - Äntlisberg

Quelle: Webseite GISpunktHSR

Das Wichtigste in drei Sätzen.
Schreibt man den Namen der Kapelle an der Sitter "Tägenau" oder "Degenau", heisst die Autobahnüberdeckung in Zürich-Wollishofen "Entlisberg oder Äntlisberg"? Auf den verschiedenen Ausgaben von Landeskarte, Übersichts- und Grundbuchplan findet man beides. Der seit Generationen dauernde Streit um die "richtige Schreibweise" soll nun abgeschlossen werden, indem die heutige Schreibweise - ob "gut" oder "schlecht" - unverändert bleibt!

Lokalnamen als Kulturgut.
Lokalnamen können auf römische oder alemannische Zeiten zurückweisen. Ich wohne in der Siedlung Pünterswies, weil diese Wiese vor Generationen dem Landwirt Pünter gehörte. Der Lokalname Grüt verrät, dass Wald gerodet wurde. Der Büliberg weist darauf hin, dass Einheimische nicht Bülach sagen, sondern Büli. Und Hunderttausende von Leuten sagen Züri und schreiben Zürich. Die Lokalnamen enthalten eine Fülle von Hinweisen auf Geschichte, Volks- und Sprachkunde.

Lokalnamen als Informationsmittel.
Mit Koordinaten kann jede Stelle im Gelände bestimmt werden. Die meisten Leute jedoch orientieren sich auf einer Karte nach den Lokalnamen. Sie suchen diese auch auf den Wegweisern und in Heimatkundebüchern. Die Rega erhält den Notruf einer Verunfallten, die den Standort so angibt, wie er auf ihrem Tourenführer 1998 geschrieben steht. Der Bund führt eine Liste mit Hunderten von Flachmooren von nationaler Bedeutung, die nach Lokalnamen benannt sind. Gestaltungspläne, Quartierpläne und viele andere raumplanerische Erlasse werden nach Lokalnamen benannt. Auf der Landeskarte stehen 150'000, in der Amtlichen Vermessung 350'000 Lokalnamen.
 
Eine veränderte Schreibweise zerstört grundlos den Bezug zu schriftlichen Akten früherer Jahre.
Wer Dokumente oder Literatur über Genf sucht, sucht auch unter Genève. Wer Dokumente oder Literatur über den Äntlisberg sucht, stösst in einem klassischen Verzeichnis oder in einer digitalen Datenbank nie auf Entlisberg. Und in wenigen Jahren gibt es nur noch wenige Leute, die wissen, dass der Lokalname Äntlisberg früher Entlisberg geschrieben wurde. Der Bezug zu schriftlichen Akten früherer Jahre wird somit grundlos zerstört!

Die Schreibweise von 1948 bis heute.
Für die historischen Zehntenpläne, die Dufour- und die Siegfriedkarte gab es kaum Regeln über die Schreibweise der Lokalnamen. Als nach dem 2. Weltkrieg die Produktion der Landeskarte in vielen verschiedenen Massstäben ins Rollen kam, wurden am 27. Oktober 1948 die "Weisungen für die Erhebung und die Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz" erlassen, ein detailliert geregelter Kompromiss zwischen Mundart und Schriftsprache. Die meisten Kantone hielten sich an diese Schreibregeln. Doch seit einigen Jahren entstanden vor allem in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen Bestrebungen nach einer mundartnahen Schreibweise. Zum Beispiel wurden im Kanton Thurgau 68% aller Siedlungsnamen verändert, sodass nun im Register für das Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis für 1265 Siedlungen 2'178 verschiedene Schreibweisen angegeben werden müssen. Die Bestrebungen nach einer mundartnahen Schreibweise wurden vom Bundesamt für Landestopografie unterstützt mit den vergeblichen Versuchen, die Weisung 1948 zu ersetzen durch die "Toponymischen Richtlinien der Schweiz" (2005), dann in einem neuen, ebenfalls vergebliche Versuch durch den " Leitfaden 2006".

Der Ausweg aus dem Wirrwarr.
Im Jahre 2007 gibt die parlamentarische Beratung des neuen Geoinformationsgesetzes mit zehn Verordnungen Anlass zur Besinnung in der Frage der Schreibweise von Lokalnamen. Das Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) hat für diese Verordnungen zwei Anhörungsverfahren angeordnet. Für das Kapitel 29 dieser Webseite haben mir einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 1. Anhörungsverfahrens ihre Stellungnahme zur Schreibweise der Lokalnamen mitgeteilt. Die Meinungen sind eindeutig: Heute steht die Bedeutung der Lokalnamen als Informationsmittel im Vordergrund und da hilft nur ein grundsätzlicher Stopp gegen das weiteren Herumfeilen an der Schreibweise. Diese grundsätzliche Überzeugung wurde von weiten Kreisen aus der Praxis unterstützt. Am 6. März 2007 beriet der Nationalrat das Geoinformationsgesetz. In der Eintretensdebatte wurde der Bundesrat mehrfach ersucht in der Verordnung GeoNV 2008 festzuhalten, dass die heutige Schreibweise der Lokalnamen (Flurnamen) beibehalten wird.

Erfolgreiche Opposition.
Die Opposition gegen masslose Änderungen der Schreibweise von Lokalnamen wird auf der vorliegenden Webseite dokumentiert. Einen vorläufigen Schlusspunkt bilden das Geoinformationsgesetz und und die Verordnung GeoNV 2008. Diese beiden Erlasse werden am 1. Juli 2008 rechtskräftig und sollen dafür sorgen, dass die Schreibweise von Lokalnamen in Zukunft nur noch aus öffentlichem Interesse geändert wird.

Einlenken der Regierung im Kanton Thurgau.
Gemäss Informationen vom  22. Februar und  8. März 2012  hat die Thurgauer Regierung die seit den 80er-Jahren eingeführte extremmundartliche Schreibweise von Lokalnamen aufgegeben. Einerseits betrifft dies alle 2'300 Ortschaften und Siedlungen. Etwa die Hälfte davon ist extremmundartlich geschrieben worden, was nun wieder rückgängig gemacht wird. Anderseits werden die 18'000 Flurnamen von rein lokaler Bedeutung ihre extremmundartlich veränderte Schreibweise behalten.

Für die Zukunft hat dies Folgen:  Es wird noch lange dauern, bis die Korrekturen realisiert sind in allen Bereichen: Wegweiser, Strassentafeln, Karten, Pläne, Beschreibungen, Register, Grundbuch u.s.w. Der Wirrwarr in der Schreibweise von Lokalnamen wird leider noch währernd Jahren Alltag bleiben im Kanton Thurgau.
   18'000 Flurnamen von nur lokaler Bedeutung bleiben hingegen unverändert, grösstenteils wohl extremmundartlich geschrieben. Damit weichen sie auch in Zukunft ab von der für die Landeskarten vorgeschriebenen "gemässigten Mundartschreibweise" gemäss den Weisungen 1948 und 2011.

2015 erscheint das erste LK-Blatt mit bisheriger Scheibweise.

2016 werden im Kanton Thurgau auch alle weiteren analog nachgeführten Blätter der Landeskarte 1:25'000 erscheinen. Eine jahrzehntelange Phase der Verunsicherung ist damit abgeschlossen. Die Kosten und administrativen Leerläufe in der Verwaltung und in der Privatwirtschaft können jedoch nicht rückgängig gemacht werden.
      Das Ziel der vorliegenden Webseite lautet: Die heutige Schreibweise von Lokalnamen (Flurnamen) soll unverändert bleiben. Dieses Ziel ist nun weitgehend erreicht. Der Redaktor dieser Webseite wird darum wahrscheinlich in Zukunft diese Webseite nicht weiter redigieren (Paul Märki, 30. Dezember 2015).

Eine Zukunft für die kulturhistorische Bearbeitung der Lokalnamen.
Die Einführung der mundartnahe Schreibweise der Lokalnamen auf amtlichen Kartenwerken ist heute nicht mehr realisierbar, weil sie im Widerspruch steht zur überwiegenden Bedeutung der Lokalnamen als Informationsmittel. Die wissenschaftliche Erschliessung der Lokalnamen wird vom Nationalfonds gefördert. Das Bundesamt für Landestopografie macht gemäss Art. 7.2 der Verordnung GeoNV 2008 toponymische Forschungsarbeiten und Publikationen öffentlich zugänglich.

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