48. Presse 2011 und folgende Jahre    


Siehe auch die Kapitel Presse 2006  2007  2008  2009  2010  
  

Thurgauer Zeitung




Der Wegweiser bleibt: Die noch offiziellen Namen «Tuurbärg» und «Stelzehof» sollen zugunsten der gebräuchlichen Form verschwinden. (Archivbild: sb)


Zwei Artikel in der 
Thurgauer Zeitung vom 16. Februar 2011.
Von Christof Widmer.

(Transkription. Originaltext: PDF 1'251 KB.)

FRONTSEITE:
THURGAUER WEILER WERDEN IHRE MUNDARTNAMEN LOS.

Keine Thurgauer Gemeinde will an der umstrittenen Mundartschreibweise für Siedlungen und Weiler festhalten. Sie tragen die Kehrtwende des Kantons mit.
     FRAUENFELD. Die Haltung der Thurgauer Gemeinden ist klar: Sie wollen, dass die Namen von Siedlungen und wichtigen geographischen Punkten in der geläufigen schriftsprachlichen Variante geschrieben werden. Keine will am Entscheid des Kantons rütteln, dass die umstrittene extreme Mundartschreibweise wieder abgeschafft wird.
     Das ist das Ergebnis einer Vernehmlassung unter den Gemeinden. Der Kanton hatte ihnen die neue Schreibweise für 2'400 Siedlungen und Weiler zugestellt. Jede Gemeinde konnte zu den Namen auf ihrem Gebiet Stellung nehmen. Sie hätten 80 bis 90 Prozent der vom Kanton vorgeschlagenen Namen akzeptiert, sagt Andreas Keller, Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft.

Kehrtwende vollzogen.
Der Regierungsrat hatte letztes Jahr eine Kehrtwende in der Benennung der Siedlungen und Weiler beschlossen. In den letzten 30 Jahren waren alle Lokalmanen in einer extremen Mundartschreibweise erfasst worden. Sie wurden zunächst beispielsweise für die Grundbuchverwaltung gebraucht.

Navis fanden Ort nicht mehr.
Erst als die Namen nach und nach auch auf den Landkarten erschienen, wurde dies zu einem öffentlichen Thema. So stimmten Wegweiser nicht mehr mit den Landkarten überein, Navigationsgeräte fanden Orte mit den neuen Schreibweisen nicht mehr.
     Die 2'400 neuen Namen werden in den nächsten Monaten in die Pläne des Amtes für Geoinformation übernommen. Dann sind sie offiziell.


SEITE 26:
WENDE IM NAMENSSTREIT AKZEPTIERT.

Die kleinen Thurgauer Siedlungen und Weiler werden bald ihre ungeliebten Mundartnamen los. Die Gemeinden unterstützen die meisten Vorschläge des Kantons, wie die 2'400 Lokalnamen künftig geschrieben werden sollen: In der gewohnten schriftsprachlichen Variante.
      FRAUENFELD. Die Landkarten sind druckfrisch, aber schon veraltet: Die aktualisierten Ostschweizer Blätter der Landeskarte zeigen zwar den neusten Stand der Siedlungsausdehnung. Auf den Thurgauer Kartenblättern sind aber die kleinen Dörfer, Weiler und wichtigen geographischen Punkte nach wie vor in der extremen Mundartschreibweise aufgeführt, die der Kanton derzeit rückgängig macht. Die Karte ist übersät mit Namen wie "Holpmishus" (Holzmannshaus), "Sunebärg" (Sonnenberg) oder "Äppeste" (Eppenstein) Das Bundesamt für Landestopographie hat die theoretisch noch gültige Mundartschreibweise aus den amtlichen Plänen übernommen.
     In den Datenbanken des kantonalen Amts für Geoinformation wird sich die Kehrtwende hin zu einem an die Schriftsprache angelehnten Namen erst in den nächsten Monaten niederschlagen. Die Gemeinden hatten bis Ende Januar 2011 Zeit, zu prüfen, ob sie mit der vom Kanton vorgeschlagenen neuen Schreibweise für die Namen der 2'400 kleinen Siedlungen und Weiler zufrieden sind.

Am Grundsatz nicht gerüttelt.
Sie sind es weitgehend: Die Gemeinden haben 80 bis 90 Prozent der vorgeschlagenen Namen bestätigt. Das sagt Andreas Keller, Generalsekretär des zuständigen Departements für Inneres und Volkswirtschaft, nach einer ersten Sichtung der Antworten: "Die Kehrtwende wird akzeptiert." Keine einzige Gemeinde rüttelt demnach am Grundsatz, dass Siedlungsnamen wieder in gewohnter Schriftsprache geschrieben werden. Nur in Einzelfällen gebe es Änderungswünsche, sagt Keller - zum Beispiel, wenn die Arbeitsgruppe eine Schreibweise vorgeschlagen habe, die vor Ort unüblich sei, wie "Reute" statt "Rüti".
      Geantwortet haben allerdings nur 65 der 80 Gemeinden. Einige hätten eine Fristverlängerung beantragt, sagt Keller. Auf die anderen werde er zugehen. "Möglicherweise sind sie einfach zufrieden mit den Vorschlägen."
      Die Antworten der Gemeinden gehen jetzt ans Amt für Geoinformation. Es wird überprüfen, ob die Änderungswünsche plausibel sind. Anschliessend überträgt das Amt die neuen Namen in seine offiziellen Pläne.

"Jetzt ist Frieden".
"Hochzufrieden" mit der Entwicklung ist Kantonsrat Thomas Merz-Abt, der vor zwei Jahren die Welle der Empörung über die extremen Mundartnamen in einem politischen Vorstoss aufgenommen hatte. "Jetzt ist Frieden", sagt Merz-Abt. Es sei richtig, dass Gemeinden in die Entscheide einbezogen worden sind. Sie wüssten, ob eine Schreibweise vor Ort akzeptiert wird oder nicht.
     Aus Sicht der Gemeinden sei die Übung gut gelaufen, sagt Roland Kuttruff, Präsident des Verbands Thurgauer Gemeinden. Es sei ruhig ums Thema geworden.

Neue Karten 2016.
Bis die neuen Namen auf den Landeskarten erscheinen, wird es einige Jahre dauern. Das Bundesamt für Landestopographie (Swisstopo) will auch im Sonderfall Thurgau am normalen Aktualisierungsturnus festhalten. "Die nächsten nachgeführten Karten sind im Jahr 2016 vorgesehen", sagt Swisstopo-Sprecherin Sandrine Klötzli.

"Tuurbärg", "Haadehuus", "Roopel".
Die inzwischen aufgelöste kantonale Nomenklaturkommission hat die Orts- und Flurnamen über Jahrzehnte systematisch erfasst. Dabei orientierte sie sich am Sprachbild der heutigen Grossväter-Generation, das sie nach sprachwissenschaftlichen Grundsätzen festhielt. Dabei entstanden unleserliche Namen wie Tuurraa (Thurrain) oder Haadehuus (Haidenhaus). Der Thurberg hiess neu Tuurbärg, der Nollen wurde Nole geschrieben, Rotbühl bekam den Namen Roopel aufgedrückt.
      Berichte der Thurgauer Zeitung über das Ausmass der Neuschreibung lösten vor zwei Jahren eine Welle der Empörung aus. Als Folge verordnete der Regierungsrat eine Kehrtwende für die 2'400 Siedlungsnamen und bedeutende Flurnamen. 18'000 Flurnamen mit lokaler Bedeutung behalten die Mundartschreibweise. (wid)



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Bilingue einmal anders: die aktuelle Thurgauer Wanderkarte



Artikel im 
Beobachter vom 4. März 2011.
Von Susanne Loacker.

(Transkription. Originaltext: PDF 2'544 KB.)

Deutsch und deutlich.

Sie nannten es "Namensstreit", doch der ist nun beigelegt: Im Thurgau werden alte Orts- und Flurnamen der Klarheit zuliebe eingedeutscht.

Orts- und Flurnamen im Thurgau werden neu wieder so geschrieben, dass auch Ausserkantönler und Ausländer die Chance haben, damit klarzukommen. Doch auf den druckfrischen offiziellen Landeskarten sind die Dörfer und Weiler immer noch so benannt, wie der Volksmund es vormacht: Gäbelschhuuse, Holpmishus, Zigeze, Alewinde. Nie gehört? Man nutze die Ortstafeln als Übersetzungshilfe: Geboltshausen, Holzmannshaus, Sigensee, Allenwinden.
      Die Karten der nächsten Generation, die den Gesinnungswandel hin zu allgemeinverständlichem Hochdeutsch berücksichtigen, sollen erst 2016 gedruckt werden. Bis dahin herrscht in Mostindien ein Zustand, der Navigationsgeräte zur Verzweiflung bringt - auch jene der Touristen und Lieferanten aus den grenznahen Gebieten Deutschlands und Österreichs.

Mit Mundart gegen die Nazis.
Die Kirchturmpolitik um die Ortsnamen begann in den dreissiger Jahren. Damals in umgekehrter Richtung: Man wollte dem aufkommenden Nationalsozialismus mit Dialektnamen ausgerechnet eine Urtümelei entgegensetzen, die den braunen Völkischen vermutlich gar gefallen hätte. In den fünfziger Jahren kam eine entsprechende Anweisung vom Bundesrat. "Die haben allerdings nicht alle Kantone gleich interpretiert", erklärt Andreas Keller, Generalsekretär des Thurgauer Departements für Inneres und Volkswirtschaft. Der Thurgau jedenfalls nahm die Aufforderung ernst.
      Als dann ab Mitte des 20. Jahrhunderts die Orts- und Flurnamen systematisch erfasst wurden, regte sich erste Kritik an den Dialektnamen. Es dauerte aber 50 Jahre, bis der CVP-Kantonsrat Thomas Merz-Abt den Unmut vieler Bürger 2009 in einem parlamentarischen Vorstoss artikulierte. "Ich bin glücklich, dass es gelungen ist, diese unnötige Einschweizerungsaktion zu stoppen", sagt er. "Es darf doch nicht sein, dass auf Karten, Wegweisern und in Navigationsgeräten verschiedene Bezeichnungen vorkommen."

Die Gemeinden dürfen mitreden.
Daraufhin erstellte eine Arbeitsgruppe eine Liste mit 2'400 Orts- und Flurnamen in Schriftsprachversionen und schickte jeder der 80 betroffenen Gemeinden einen Auszug. Die Rückmeldefrist von Ende Januar haben rund 65 von ihnen eingehalten. "Die meisten waren einverstanden", so Andreas Keller, "einige brachten Korrekturen an." Ein paar Gemeinden haben um Fristerstreckung ersucht.
      Es gibt nur eine Karte, die den Übergang dokumentiert: Die neue Wanderkarte, Massstab 1:50'000, nimmt es genau, schlägt sich auf keine Seite und wird sicher in Kürze Sammlerwert haben. Denn sie ist zweisprachig: schweizerdeutsch-deutsch.

Ausschnitt aus dem "St. Galler Tagblatt", 16. Februar 2011. Jetzt ist Frieden."
"Hochzufrieden" mit der Entwicklung ist Kantonsrat Thomas Merz-Abt, der vor zwei Jahren die Welle der Empörung über die extremen Mundartnamen in einem politischen Vorstoss aufgenommen hatte. "Jetzt ist Frieden", sagt Merz-Abt.



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Franz Hohler mahnt auf dem Agassizhorn mit dem Foto von Sklave Renty.



Den Namen eines Berges ändern - der Verfasser dieser Webseite springt über seinen eigenen Schatten und simmt zu!


Artikel im Echo vom 17. November 2011.
Von Franz Hohler.



Rentyhorn
Windig ist es hier oben
Renty
auf beinahe 4000 Metern
und kalt
doch immer noch wärmer
als in Agassiz' Schriften
über die Rassen
in denen du herhalten musstest
mit deinem Bild
als Beispiel
für eine minderwertige.

Ich denke an dich
und an alle
die mit dir litten
deswegen
und immer noch leiden.


Echo ist das Magazin des Vereins "Zum Schutz des Alpengebietes vor dem Transitverkehr". Das Gedicht von Franz Hohler erschien in der Nummer 114 vom 17. November 2011 auf den Seiten 4 und 5.

Der ganze Artikel
"Franz Hohler klettert und dichtet. Agassizhorn."
PDF 15 KB.

Weitere Informationen zum Namen Agassizhorn auf dieser Webseite:
WOZ, Die Wochenzeitung. 12. November 2009.
Radio DRS. 19. August 2010.
Tages Anzeiger. 21. August 2010.



Thurgauer Zeitung

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Rotbühl heisst nun ganz offiziell wieder Rotbühl und nicht mehr Roopel.
Bild: Donato Caspari.

Ottenberg statt Ottebärg
Im kantonalen Geoinformationssystem Thurgis werden nach und nach die mundartlich geschriebenen Siedlungs- und Flurnamen durch die gewohnte schriftsprachliche Variante abgelöst. Im folgenden eine Auswahl der Änderungen:
  • Rotbühl (neu) - Roopel (alt);
  • Grosse Allmend - Groossi Allmänd;
  • Allenwinden - Alewinde;
  • Thurberg - Tuurbärg;
  • Ottenberg - Ottebärg;
  • Hudelmoos - Hudelmos;
  • Waldschenke - Waldschänggi;
  • Wahrenberg - Woorebärg;
  • Lanzendorn - Lanzedoore;
  • Häusern - Hüüsere;
  • Rimensberg - Rimisbärg;
  • Nussbaumersee - Nussbommersee;
  • Remensberg - Rämischbärg;
  • Hohlenstein - Holestaa;
  • Sonnenhof - Sunehof;
  • Katzensteig - Chatzestaag;
  • Hellacker - Hellägger;
  • Kemmenbach - Chemebach;
  • Rudenwil - Ruedewiil;
  • Braunauer Höhe - Bruunauer Höchi;
  • Kaltenbrunnen - Chaltebrune.
      (wid)



Umbenennung schlägt durch.
Thurgauer Zeitung vom 9. März 2012, Seite 33.
Von Christof Widmer.

In den nächsten Monaten ersetzen die Geometer die nie akzeptierten Mundartnamen in den Vermessungsplänen durch die traditionelle schriftdeutsche Schreibweise. Damit ist der Streit um die Siedlungs- und Flurnamen offiziell beigelegt.

FRAUENFELD. Es ist schon passiert, dass ein ortsunkundiger Wanderer in Rotbühl nicht mehr wusste, wo er ist. Auf seiner Landkarte steht nämlich der bisher offizielle Name "Roopel", auf dem Strassenschild aber das im Alltag gebrauchte "Rotbühl". Seit neustem heisst der Weiler aber auch ganz offiziell wieder Rotbühl. Der Eintrag in den Vermessungsplänen ist geändert worden.
     So wird es in den nächsten Monaten mit mehreren hundert weiteren Siedlungsnamen und überregional bedeutenden Flurnamen geschehen. Das erklärte gestern Andreas Keller, Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Orts- und Flurnamen, die gestern ihren Schlussbericht veröffentlicht hat.

2'300 Namen überarbeitet.
Die Arbeitsgruppe hat die Schreibweise von 2'300 Siedlungsnamen und 33 Flurnamen von übergeordneter Bedeutung überarbeitet. Etwa die Hälfte war seit den 80er-Jahren in einer extremen Mundartschreibweise festgelegt worden. Davon verschont blieben nur die politischen Gemeinden, die alten Ortsgemeinden sowie Weiler, die ÖV-Haltestellen sind. Die Kommission hat nun alle diese Namen in die gewohnte schriftdeutsche Form umgeändert.
     Diese Arbeit ist auch Grundlage für das neue Verzeichnis der Thurgauer Ortschaften und Siedlungen, das laut Keller diesen Sommer erscheinen soll. Es wird neu alle Weiler umfassen und somit 1'000 Namen mehr enthalten als das alte Verzeichnis von 2005.
     Während sich die Umbenennungen in der Online-Datenbank ThurGIS des Amtes für Geoinformation bereits niederschlägt, wird es bei den gedruckten Karten noch dauern. Das Bundesamt für Landestopographie wird die Thurgauer Blätter zur Landeskarte erst 2016 nachführen. Bis dahin dürften auch die GPS-Systeme mit den Mundartnamen arbeiten.

"Kulturgut bleibt erhalten."
Regierungsrat Kaspar Schläpfer spricht von einem glücklichen Ausgang des Namenstreits: "Der Konflikt wurde zur Zufriedenheit aller beigelegt." Rekurse gegen die zusammen mit den Gemeinden festgelegten Namen habe es keine gegeben. Die Lösung sei ein guter Kompromiss: Die im Alltag gebrauchten Namen erscheinen in der gewohnten Schriftsprache. Gleichzeitig bleibe das Kulturgut der Flurnamen erhalten. Die bisher 18'000 erfassten Flurnamen von nur lokaler Bedeutung bleiben in der Mundartfassung. Die Arbeit von Namenforscher Eugen Nyffenegger, der die Schreibweise der Lokalnamen prägte, sei somit nicht vergebens, sagt Schläpfer.
     Die kantonale Nomenklaturkommission hatte seit den 80erJahren die Namen nach sprachwissenschaftlichen Grundsätzen erhoben. Das Resultat waren Schreibweisen, die unter anderem Lautdehnungen abbildeten - zum Beispiel Tuurraa (Thurrain). Als diese Namen mit der Zeit auch auf den Landkarten auftauchten und die TZ darüber berichtete, führte dies zu einer Welle der Empörung in der Bevölkerung. 2010 ordnete der Regierungsrat die Kehrtwende an. Rotbühl heisst nun ganz offiziell wieder Rotbühl und nicht mehr Roopel. Ottenberg statt Ottebärg.

Link zur Originaldarstellung dieses Artikels in der Thurgauer Zeitung 837 KB.


Kommentar des Verfassers dieser Webseite vom 15. März 2012.

"Glücklicher Ausgang des Namenstreits"
Regierungsrat Kaspar Schläpfer spricht von einem glücklichen Ausgang des Namenstreits. Tatsächlich ist die Arbeit der Arbeitsgruppe gut gelungen und alle 80 Gemeinden im Kanton Thurgau haben positive Stellungnahmen vorgelegt. Der "Namenstreit" wäre aber gar nicht nötig gewesen, wenn die Regierung rechtzeitig die Einwände aus der Bevölkerung sorgfältig geprüft hätte. Wieviel öffentliche und private Kosten hat wohl der "Namenstreit" verursacht?

"Kulturgut bleibt erhalten"
Die Arbeit von Namenforscher Eugen Nyffenegger, der die Schreibweise der Lokalnamen prägte, sei somit nicht vergebens, sagt Regierungsrat Kaspar Schläpfer. Es stimmt, das Thurgauer Namenbuch von Eugen Nyffenegger hat ein wichtiges Kulturgut erschlossen. Der "Namenstreit" ist aber vergebens! Er ist nur deshalb losgebrochen, weil der Kanton Thurgau die extremmundartliche Schreibweise des Namenbuches für offizielle Karten und Pläne übernommen hatte. Und dies war rechtswidrig gemäss den eidgenössischen Weisungen 1948.
     Leider wurde das Vorgehen des Kantons Thurgau durch swisstopo (Bundesamt für Landestopographie) gefördert. Bereits seit den 80er-Jahren übernahm swisstopo - entgegen den eigenen Weisungen 1948 - die extremmundartliche Schreibweise des Kantons Thurgau laufend auf revidierten Blättern seiner Schweizerischen Landeskarte. Viele Jahre später versuchte swisstopo, seine widerrechtlichen Praxis zu legitimieren. Zuerst mit dem  "Projekt 2005"  und dann mit dem  "Leitfaden 2006".  In den Vernehmlassungen wurden jedoch beide Versuche vehement abgelehnt. Ferner erklärte während Jahren swisstopo - ziemlich willkürlich - die Weisungen 1948  mal für gültig, mal für ungültig. Erst 2011 wurden die Weisungen 1948 ersetzt durch die  Weisungen 2011. Die Grundsätze und Regeln für die Schreibweise der Lokalnamen sind in beiden Fassungen der Weisungen exakt dieselben geblieben!

2'300 Namen von Ortschaften und Siedlungen wurden durch die Kommission überarbeitet. Etwa die Hälfte davon war seit den 80er-Jahren in extremmundartliche Schreibweise abgeändert worden. Die Kommission hat nun für diese Namen wieder die bisherige Schreibweise festgelegt. Es wird aber noch lange dauern, bis diese Korrekturen realisiert sind in allen Bereichen: Wegweiser, Strassentafeln, Karten, Pläne, Beschreibungen, Register, Grundbuch u.s.w. Der Wirrwarr in der Schreibweise von Lokalnamen wird leider noch währernd Jahren Alltag bleiben im Kanton Thurgau.
     18'000 Flurnamen von nur lokaler Bedeutung bleiben hingegen unverändert, grösstenteils wohl extremmundartlich geschrieben. Damit weichen sie auch in Zukunft ab von der für die Landeskarten vorgeschriebenen "gemässigten Mundartschreibweise" gemäss den Weisungen 1948 und 2011.


Links
  • Kapitel 44.3. Extreme Mundartschreibweise von Lokalnamen im Kanton Thurgau, Schlussbericht der Arbeitsgruppe Orts- und Flurnamen vom  22. Februar 2012.
  • Kapitel 44.3. Extreme Mundartschreibweise von Lokalnamen im Kanton Thurgau, Information vom  8. März 2012  auf der Webseite des Kantons Thurgau.
  • Siehe auch Webseite roopel.blogspot.com von Martin Schlatter vom 9. März 2012, 8. März und vom 6. März 2012.



St. Galler Tagblatt

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Wie die Thurgauer Orte heissen.


Wie die Thurgauer Orte heissen.
St. Galler Tagblatt Online vom 21. Dezember 2012.
Von Christof Widmer.

FRAUENFELD. Gestern ist das neue Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis erschienen. Es ist detaillierter und umfasst 1'000 Siedlungsnamen mehr als das alte. Das ist eine Folge des Streits um die Schreibweise der Siedlungs- und Flurnamen.

Wer wissen will, in welchen Gemeinden Landsiedeln oder Ringenzeichen liegen oder wie viele Menschen in Eschenbuck oder in Unterisenegg wohnen, dem hilft das neue Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis. Landsiedeln gehört zur Politischen Gemeinde Fischingen, Ringenzeichen liegt bei Egnach. Unterisenegg (Affeltrangen) hat neun Einwohner, Eschenbuck (Basadingen) fünf. Seit gestern ist das völlig überarbeitete Verzeichnis erhältlich.
     Nicht nur optisch unterscheidet sich das Verzeichnis deutlich vom Vorgänger aus dem Jahr 2005. Auch inhaltlich ist das Nachschlagewerk umfassender geworden. 2'266 Dörfer, Weiler, Höfe oder Stadtteile nennt das Werk – 1'000 mehr als im alten Verzeichnis. Dass liegt nicht daran, dass neue Siedlungen gegründet worden wären. Die Erfassung ist feiner geworden. «Wir haben den Siedlungsbegriff erstmals einheitlich definiert», sagt Kantonsstatistikerin Ulrike Baldenweg. Bisher hatten die Gemeinden nach eigenem Gusto gemeldet, was sie als Siedlung verstehen. Die einen waren dabei detaillierter als die anderen.

Eine neue Siedlungskarte.
Jetzt hat die Dienststelle für Statistik alle Wohnhäuser zu einer Siedlung zusammengefasst, wenn sie weniger als 100 bis 150 Meter von einander entfernt liegen und nicht zum Beispiel durch einen steilen Abhang voneinander getrennt sind. So kamen auch isolierte Einzelhöfe neu ins Siedlungsverzeichnis. Das Resultat ist eine eindrückliche Siedlungskarte des Thurgaus (Grafik).
     Das Verzeichnis sagt auch, zu welcher Politischen Gemeinde, zu welcher Schul- oder Kirchgemeinde ein Weiler gehört. Auch nennt es die Einwohnerzahl. Die Internet-Version kann nachgeführt werden, wenn jährlich die neuen Einwohnerzahlen gemeldet werden, sagt Baldenweg.
     Dass der Kanton das Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis komplett überarbeitet hat, ist eine Folge des Streits um die Schreibweise der Thurgauer Lokalnamen. Um ihn zu lösen, hat der Regierungsrat 2010 angeordnet, dass die Siedlungsnamen nur noch in der traditionellen schriftsprachlichen Version erfasst werden dürfen. Zuvor hatte die kantonale Nomenklaturkommission die meisten Thurgauer Lokalnamen schon in einer extremen Mundartschreibweise festgelegt. Als die Thurgauer Zeitung 2009 begann darüber zu berichten, löste das eine Welle der Empörung aus.

Fast durchweg schriftsprachlich.
Bei der anschliessenden Festlegung der Namen hat die zuständige kantonale Arbeitsgruppe alle Orte, wo Menschen wohnen, erfasst und definiert, wie sie geschrieben werden. «Das Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis macht diese Arbeit zum erstenmal sichtbar», sagt Andreas Keller, Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft. Tatsächlich sind die Namen dort fast durchweg in der traditionellen schriftdeutschen Schreibweise aufgeführt. Nur bei vereinzelten Kleinsiedlungen hat der Kanton ein Auge zugedrückt.
     Das neue Verzeichnis hat offiziellen Charakter. «Die Idee ist, dass sich die kantonale Verwaltung daran hält», sagt Keller. Die Siedlungsnamen werden auch in den Vermessungsplänen der Gemeinden nachgeführt. Diese Arbeit beginnt laut Keller nächsten Herbst und sollte bis Ende 2014 abgeschlossen sein.


Kommentar des Verfassers der Webseite Lokalnamen
vom 27. Dezember 2012.

Auf der Webseite Lokalnamen habe ich chronologisch den ganzen Wirrwarr dokumentiert, der im Kanton Thurgau mit der unüberlegten Einführung der extremen Mundartschreibweise von Lokalnamen entstanden ist. Viele Instanzen hatten damals leider versagt. Hingegen möchte ich der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau ein Kompliment machen, weil sie stets eine klare, öffentlich zugängliche Dokumentation vermittelt hat. Diese ist dargestellt auf der Webseite www.statistik.tg.ch, welche auch die Links zu den verschiedenen Publikationen enthält. Ich zähle folgende Aspekte auf:
  • In den Jahren 1962, 1983, 2005 und 2012 wurden Ortschaften- und Siedlungsverzeichnisse erstellt.
  • Diese kann man über das Internet als PDF-Dokumente, teilweise zusätzlich auch als XLS-Dokumente beziehen. Zudem sind die neueren Ausgaben auch als gedruckte Publikationen erhältlich.
  • Die Ausgabe 2005 enthält für jeden Lokalnamen  nicht nur die neue extremmundartliche, sondern auch die bisherige Schreibweise.  Dadurch zeigte damals das Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis einerseits den Wirrwarr der Schreibweisen auf und erlaubte andererseits die Zuordnungen der verschiedenen Schreibweisen zu den betreffenden Stellen in der Landschaft.

Sehr wertvoll ist Martin Schlatters Kommentar zum Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis 2012 des Kantons Thurgau. Es enthält auch einen Rückblick auf das Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis Kanton Thurgau 2005. Im Abschnitt "Veränderte Siedlungsnamen pro beliebig ausgewählte Gemeinde" können die damals veränderten Schreibweisen von Ortschaften und Siedlungsnamen für eine beliebig ausgewählte Gemeinde mit Link auf die Karte direkt online abgerufen werden!

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